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20 Jahre BAS: Monika Weibold: "Wer will findet Wege"

Episode Summary

Die Berufsausbildungsassistenz, kurz BAS, feiert im September ihr 20-jähriges Jubiläum. Mein Gast war 2003 eine der ersten Berufsausbildungsassistentinnen in Oberösterreich: Heute ist Monika Weibold dabei-austria Vorstandsmitglied und Geschäftsführerin der Jugend am Werk GesmbH mit Sitz in Linz, einem Unternehmen der BBRZ-Gruppe. In der Podcastfolge erzählt sie, was sie an der BAS so überzeugt und wie sich das Angebot entwickelt hat.

Episode Notes

Das NEBA-Angebot Berufsausbildungsassistenz, kurz BAS, ist 20 Jahre alt! Im September 2003 wurde die Berufsausbildungsassistenz, im Rahmen der integrativen Berufsausbildung, gesetzlich verankert. Monika Weibold ist 2003 eine der ersten Berufsausbildungsassistentinnen in Oberösterreich. Die Idee Jugendliche mit Behinderung oder ausgrenzungsgefährdete Jugendliche vom Start bis zum Abschluss der verlängerten Lehre bzw. der Teilqualifizierung zu unterstützen, überzeugte die Mühlviertlerin von Anfang an. Die Erfahrungen, die sie als Berufsausbildungsassistentin gesammelt hat, waren für sie sehr wichtig. 

Heute ist Monika Weibold Geschäftsführerin bei der Jugend am Werk GesmbH mit Sitz in Linz, einem Unternehmen der BBRZ-Gruppe. Und sie ist Vorstandsmitglied beim Dachverband dabei-austria - mit dem Fachbereich Jugendbeschäftigung. In dieser Podcast-Episode reisen wir beide gedanklich zurück ins Jahr 2003 - zu den Anfangstagen der BAS.  

SERVICE: 

dabei Austria - dabei-Austria

Mit Schwung ins Berufsleben - Jugend am Werk (jaw-bbrz.at)

NEBA-Berufsausbildungsassistenz: Warum BAS

Foto: Monika Weibold 

Episode Transcription

Moderation (Mod): Herzlich Willkommen, sagt Sandra Knopp. Im Podcast von dabei-austria spreche ich mit Menschen, die berufliche Perspektiven suchen und jenen, die sie dabei unterstützen. Zu Beginn dieser Podcast-Episode reisen wir gedanklich zurück ins Jahr 2003: Vor 20 Jahren machten der Irak-Krieg und der Hitzesommer Schlagzeilen. Es war das Jahr in  Arnold Schwarzengger die Gouverneurswahl in Kalifornien gewann und in dem Hermann Maier in Kitzbühel den 1. Sieg nach seinem schweren Motorrad-Unfall feierte. Und es war auch das Jahr in dem ein wichtiges arbeitsmarktpolitisches Angebot ins Leben gerufen wurde: Die Berufsausbildungsassistenz. Dazu habe ich heute dabei-austria Vorstandsmitglied Monika Weibold zu Gast, sie war im Jahr 2003 eine der ersten Berufsausbildungsassistentinnen in Oberösterreich. 

Monika Weibold: Ich war damals schon mit der Integration von jungen Menschen konfrontiert und habe erleben müssen, wie eine reguläre Lehre in ihren Anforderungen zu hochschwellig ist für manche junge Menschen war und damit zu Hürde geworden ist. Und es war eine Zeit der Alternativlosigkeit. Für mich war die Novellierung des Berufsausbildungsgesetzes, also die Erweiterung um die verlängerte Lehre und Teilqualifizierung ein wichtiger Faktor und ein Türöffner und eine Chance um für junge Menschen mit Unterstützungsbedarf eine für ihre Bedarfe maßgeschneiderte Ausbildungsform zu kreieren.

Mod: Seit 1999 setzt sich Monika Weibold in verschiedenen Funktionen für die Bildungschancen junger Menschen ein. Ihr Motto: „Wer will, findet Wege. Die schönsten sind die gemeinsamen.“ Die Idee Jugendliche mit Behinderung oder ausgrenzungsgefährdete Jugendliche während der verlängerten Lehre bzw. der Teilqualifizierung zu unterstützen, überzeugte die Mühlviertlerin von Anfang an. 

Monika Weibold: Ich habe vorher viele Misserfolge miterleben müssen - wie junge Menschen in einer Zeit, wo Lehrstellen Mangelware waren und auch bei weiterführenden Schulen mittels Einstiegstests selektiert wurde, junge Menschen mit Behinderung eine ungleich höhere Anstrengung hatten eine Lehrstelle zu erlangen. Und wenn das einmal gelungen ist, hat es keine Dienstleistung gegeben, mit der diese jungen Menschen in ihrer Ausbildung begleitet worden sind. Und dann stellte immer noch die Frage: ob der Anforderungslevel erfüllt werden kann. Diese Neuerung im dualen System war so wichtig und übrigens werden wir über die Grenzen herüber beneidet für dieses System der Maßschneiderung in Form von verlängerter Lehre und Teilqualifikation.  

Mod: Heute ist Monika Weibold Geschäftsführerin bei der Jugend am Werk GesmbH mit Sitz in Linz, einem Unternehmen der BBRZ-Gruppe. Im Gespräch erinnert sie sich an den Pioniergeist zurück, als sich die ersten Berufsausbildungsassisten:tinnen 2003 ans Werk machten. In Oberösterreich waren das damals nur eine handvoll Menschen. Sie weiß aber auch noch, wie viel Sensibilisierung- und Überzeugungsarbeit in den Anfangsjahren geleistet werden musste. 

Monika Weibold: Wir haben viel Sorge und Skepsis erleben müssen in Unternehmen und in in Berufsschulen, dass diese jungen Menschen Anforderungen mit sich bringen, die dort nicht erfüllt werden können. Es hat sehr viel Aufklärungsarbeit gebraucht, auch sehr viel Vernetzung, Abstimmung, auch sehr viele Versuche gebraucht, um zu so einem etablierten Modell zu kommen, wie wir es heute kennen. Was uns sicherlich sehr geholfen hat in dieser Zeit war, dass der damalige Dachverband, damals noch genannt Arbeitsassistenz von sich aus die Projektträger der Berufsausbildungsassistenzen über die Bundesländer hinweg vernetzt hat.

Mod: „Ihre ersten Jugendlichen“ sind Monika Weibold natürlich im Gedächtnis geblieben.  Sie erzählt von einem angehenden Dachdecker, den sie unterstützte und dessen Lehrbetrieb kurz davorstand, sich von ihm zu trennen: 

Monika Weibold: Ja, es war meine Aufgabe den Betrieb über die verlängerte Lehre, Teilqualifizierung zu informieren und von diesem Modell zu überzeugen. Dann war es die Challenge: es ist an mir gelegen zu beratschlagen, ob jetzt eine verlängerte Lehre oder eine Teilqualifikation das Richtigere ist.

Mod: Sie führte Gespräche mit allen Beteiligten –dem Betrieb, dem Lehrling, seiner Familie – sowie einem Gremium aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. War der junge Mann kognitiv in der Lage den Handwerksberuf vollständig zu erlernen? Monika Weibold setzte sich in seinem Fall – trotz kritischer Stimmen – für eine verlängerte Lehre ein. Ihre Einschätzung gab ihr Recht – der junge Mann schloss die Lehre ab und arbeitet im erlernten Beruf Dachdecker. Den Mut zu neuen Wegen brauchte es auch im Fall eines Bürolehrlings, der nach einem Unfall ein Schädelhirntrauma und motorische Einschränkungen hatte. Ein Betrieb überlegte ihn auszubilden. 

Monika Weibold: Eine Herausforderung war die Berufsschule. Der junge Bursch war wegen seiner Beeinträchtigung nicht für eine Lehrstelle im Vollzeitmodus einsetzbar. Die Berufsschule wurde aber nur im Vollzeitmodus angeboten. So haben wir eine besondere Vereinbarung mit einer Berufsschule in Oberösterreich gemacht und haben jede Klasse gesplittet. Beim 1 Antritt wurden 5 von 10 Fächer absolviert, beim 2 Antritt die anderen 5 Fächer. So haben wir jede einzelne Klasse bestritten und mit Unterstützung des Lehrbetriebs ist es gelungen alle Berufsschulklassen positiv zu erledigen und schließlich die Wirtschaftskammer bei der Lehrabschlussprüfung zu überzeugen, dass es eine Verlängerung der Prüfungszeit braucht, was auch gelungen ist. 

Mod: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.  Der junge Mann schloss seine Lehre ab und ist bis heute mit Monika Weibold in Kontakt. Etwas weniger bekannt als die verlängerte Lehre ist die Teilqualifizierung. Die Inhalte der Ausbildung werden an die Fertigkeiten und Interessen des Jugendlichen angepasst und können sich auch verändern. Monika Weibold würde sich wünschen, dass das Potenzial der Teilqualifikation, als Leistungsnachweis, stärker gesehen wird. 

Monika Weibold: Wenn eine Lehre mit einem Lehrabschluss nicht funktioniert, dann frage ich mich immer nach der Alternative. Ist das Hilfsarbeit? Soll das Arbeitslosigkeit sein? Für mich ist die Teillehre, die Teilqualifikation, das absolut beste Modell dafür. 

Mod: Die Teilqualifikation schließt mit einer Prüfung ab und zeigt, worin die Stärken der Jugendlichen liegen. Das könne sich am Arbeitsmarkt, wo nach wie vor Fachkräfte gesucht werden, als Chance erweisen. 

Monika Weibold: Und die Offenheit der Betriebe ist natürlich immer ein bisschen abhängig vom Arbeitskräfteangebot und aktuell ist es so, dass es an Arbeitskräften mangelt in ganz, ganz vielen Branchen und in ganz, ganz vielen Regionen mangelt es an Arbeitskräften. Wenn junge Menschen bereit sind und aktuell die Anforderungen für einen vollen Lehrabschluss nicht erfüllen können, möchte ich gerne mit Betrieben in Diskurs gehen, was gegen eine Teillehre spricht.

Mod: Während es vor 20 Jahren einen großen Wettbewerb um freie Lehrstellen gab, können Lehrlinge heute oft unter mehreren Betrieben wählen. 

Monika Weibold: Und dieses Aussuchen scheint eine komfortable Situation zu sein. Macht aber angesichts der vielen Chancen, die man ergreifen und der vielen Möglichkeiten, die es gibt auch eine Perspektivenlosigkeit. Junge Menschen stehen viel mehr Anforderungen gegenüber in einer schnelllebigen Zeit, die hochgradig vom Wandel beeinflusst ist, Digitalisierung, viele Informationen in enger Zeit und ich glaube das sind ganz andere Grundsatzvoraussetzungen für junge Menschen, denen sie heute gegenüberstehen.

Mod: Die Berufsausbildungsassistenz ist ein Teil des NEBA-Angebotes. Angesichts der multiplen Krisen– Corona, Ukraine-Krieg und Teuerung wünscht sich Monika Weibold, dass die BAS sich auch weiterhin an die Bedürfnisse der Jugendlichen anpasst, etwa was die Betreuungsintensität betrifft. 

Monika Weibold: Da spreche ich an, dass junge Menschen 2-3 Jahre Homeschooling hatten und unverschuldet manche Bildungsinhalte aus der Pflichtschule nicht in dem Ausmaß, in der Intensität erworben haben, wie es früher der Schulbesuch mit sich gebracht hat. Das sind junge Menschen, die durch diese Zeit gegangen sind, in dieser Phase auf sehr viel verzichten haben müssen, auf sehr viel Freizeit, soziale Kontakte, Entwicklung, Abnabelung, Peer-Gruppen, Vereinswesen, Gestaltungsmöglichkeiten. Ich würde mir wünschen, wenn unser österreichisches Lehrsystem für diese jungen Menschen in den nächsten Jahren Möglichkeiten schafft, diese Erlebnisse nachholen zu können. Vielleicht kann man so ein bisschen eine triale Lehrausbildung andenken, um jene Dinge, die in den Hintergrund geraten sind während dieser Zeit nachzuholen, ganz frei. 

Mod: Damit meint Monika Weibold, dass verstärkt Kompetenzen, wie mathematische Grundlagen, Spracherwerb oder Arbeitsstruktur nachgeholt bzw. trainiert werden können, etwa in Form von Sommercamps. Mehr Informationen zur NEBA-Berufsausbildungsassistenz und zu Jugend am Werk Oberösterreich habe ich Ihnen in die Shownotes gestellt.  Ich möchte Ihnen zum Abschluss noch eine weitere Podcast-Episode ans Herz legen: Im Juni 2023 habe ich zwei junge Frauen getroffen - für die   die Berufsausbildungsassistenz einiges verändert hat: Tatjana, die eine zeitlang ihren Weg suchte, hat eine verlängerte Lehre in einem Fußpflege Salon absolviert. Und bildet jetzt sogar selbst einen Lehrling aus. Melitsa, die erst seit wenigen Jahren in Österreich lebt, hat eine verlängerte Lehre bei BILLA gestartet und wird von ihrer Chefin als Führungskraft von morgen gesehen. All das ist zu hören in der Episode: „Karriere mit verlängerter Lehre“ Viel Spaß beim Reinhören.  Abschließend darf ich anlässlich des 20-jährigen Jubiläums im Namen von Monika Weibold und von dabei-austria herzliche Glückwünsche an alle Berufsausbildungsassistentinnen und Assistentinnen ausrichten. In 20 Jahren haben Sie  alle mit Ihrer Tatkraft, Ihrem Wirken und Ihrer Zugewandtheit zu jungen Menschen viel erreicht. Weiterhin viel Energie und Freude im Job!  Die Website von dabei-austria erreichen Sie unter www.dabei-austria.at Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, empfehlen Sie uns bitte weiter. Unseren Podcast gibt es auf allen gängigen Podcastplattformen, wie Spotify, Apple Podcast und Google Podcast zu hören. Wir würden uns auch über eine gute Bewertung freuen. Auf ein baldiges Wiederhören freut sich Sandra Knopp.