Vor 20 Jahren wurde die Berufsausbildungsassistenz im Berufsausbildungsgesetz verankert. Berufsausbildungsassistenten und Assistentinnen unterstützen junge Menschen vom Start der Ausbildung bis zum Abschluss, in der verlängerten Lehre und in der Teilqualifizierung. Welche Berufswege zusammen möglich sind, erzählen zwei junge Frauen.
Sie sind eine Drehscheibe zwischen Betrieb, Jugendlichen und Berufsschule: Die Rede ist von Berufsausbildungsassistentinnen und Assistenten. Berufsausbildungsassistenz, kurz BAS, unterstützt junge Menschen vom Start bis zum Abschluss einer verlängerten Lehre oder der Teilqualifizierung. Menschen mit Behinderung können die BAS ebenso in Anspruch nehmen wie Menschen mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf am Ende der Pflichtschule. Außerdem gehören zur Zielgruppe Menschen mit einem fehlenden oder negativen Pflichtschulabschluss oder Menschen, die Schwierigkeiten haben, eine Ausbildung zu beginnen.
Die Berufsausbildungsassistentinnen und Assistenten führen Feedback-Gespräche, können Nachhilfe organisieren und bei Bedarf auch Angebote, wie Jobcoaching hinzuziehen. So können praktische Fertigkeiten im Betrieb vertieft werden.
Was die BAS-NEBA unseres Mitglieds Jugend am Werk Wien bewirkt, zeigt die Geschichte zweier junger Frauen. Gefördert wird dieses Unterstützungsangebot vom Sozialministeriumsservice.
Wir sind zu Besuch im Fußpflegeinstitut Eva Zaluska, das zeigt, das junge Menschen mit verlängerter Lehre wertvolle Mitarbeiterinnen für eine KMU sind. Und wir besuchen einen BILLA-Markt in Wien-Floridsdorf in dem vier junge Menschen mit verlängerter Lehre ausgebildet werden. Auch der Weg zur Führungskraft ist möglich.
Jugend am Werk - Unterstützen, Begleiten, Fördern, Qualifizieren (jaw.at)
Berufsausbildungsassistenz | Berufliche Integration in den ersten Arbeitsmarkt (jaw.at)
Herzlich Willkommen, sagt Sandra Knopp. Im Podcast von dabei-austria spreche ich mit jungen Menschen, die ihren beruflichen Weg suchen und jenen, die sie dabei unterstützen. Den 15. Juli haben die Vereinten Nationen zum „Welttag für den Kompetenzerwerb junger Menschen“ ausgerufen. Dieser Tag macht darauf aufmerksam, dass sich der Arbeitsmarkt durch neue Technologien stetig wandelt. Junge Menschen sollen ermutigt werden Fertigkeiten zu erlernen, um in diesem Wandel zu bestehen. …ermutigen und befähigen: das gehört zur Aufgabe der Berufsausbildungsassistenz. Im September 2003 wurde dieses Angebot, kurz BAS, im Berufsausbildungsgesetz verankert. Unsere Mitgliedsorganisation „Jugend am Werk-Wien“ war von Anfang an dabei. Die BAS NEBA von Jugend am Werk Wien begleitet Lehrlinge in der verlängerten Lehre und Teilqualifikation am ersten Arbeitsmarkt vom Ausbildungsstart bis zum erfolgreichen Abschluss. Gefördert wird dieses Angebot vom Sozialministeriumsservice. Was sie bewirkt, zeigt die Geschichte zweier junger Frauen.
Tatjana: Fußpflegeinstitut Eva Zaluska, Tatjana spricht, Grüß Gott. Mittwoch in der Früh, ja ich schaue einmal. Ja am 5.7. um 10:20.
Mein erster Besuch führt mich in das „Fußpflegeinstitut Ewa Zaluska“ im 23. Wiener Gemeindebezirk. Termine für Fußpflege und Maniküre auszumachen und in den Firmen-Kalender einzutragen, ist nur eine der Aufgaben von Tatjana.
Sandra: Was machst du da gerade? Tatjana: Unsere Instrumente desinfizieren. Also in den Ultraschall reingeben, damit die Keime weggehen. Sandra: Wenn du hier beginnst, was sind die ersten Schritte, wenn du reinkommst? Tatjana: Also ich bin meistens so um 08:30 da, wenn nicht sogar früher, wir bereiten alles vor, nehmen die Instrumente raus, damit wir keinen Stress haben. Die Plätze sauber machen. Wir bereiten alles vor.
Vor drei Jahren hat die 23-jährige begonnen im Fußpflegeinstinstitut zu arbeiten.
Tatjana: Ich bin in Wien geboren, aber meine Eltern sind aus Kroatien. Sandra: Und wie ist deine schulische Ausbildung? Tatjana: Ja, in der Volksschule war es ganz ok. In der Mittelschule auch. Dann bin ich ein bisschen abgerutscht, wenn man das so sagen kann. Aber danach hat sich wieder alles aufgebaut und seitdem ist alles gut gelaufen. Sandra: Aber das heißt, du hast dazwischen das Interesse an der Schule verloren oder ist dir das Lernen am Nerv gegangen oder was hast du damit gemeint? Tatjana: Ich bin halt an falsche Menschen geraten und dadurch wurde ich heruntergezogen. Dann war ich ein Jahr zuhause statt in der Schule und dann habe ich mich wieder aufgebaut und dann ging es wieder los. Sandra: Du hast gesagt, du warst bei den falschen Leuten. Wie bist du da wieder herausgekommen? Tatjana: Ich habe den Kontakt mit den Menschen abgebrochen.
Nachdem sie die Schule beendet hatte, hat Tatjana bei einem AMS-Kurs verschiedene Berufe ausprobiert: Mode, Kosmetik, Fußpflege und Friseursalon: Dass ihr Fußpflege am besten gefällt, überraschte viele aus ihrem Umfeld.
Tatjana: Eigentlich habe ich als Kind sehr viel mit den Haaren meiner Mutter gespielt, also die dachten alle, ich werde Friseurin oder sowas. Ich habe dann auch Praktika gemacht als Friseurin, aber irgendwie hat mir das dann nicht so gefallen und dann bin ich auf Kosmetik und Fußpflege gekommen.
An der Fußpflege gefällt ihr der Kontakt zu den Kund:innen und, dass sie Neues lernen kann.
Tatjana: Man muss definitiv konzentriert sein, motiviert sein, mit Menschen umgehen können, viel reden können, genau sein, sehr genau (Lacht.) und ein gutes Fingerspitzengefühl auf jeden Fall haben.
Tatjana hat ihre verlängerte Lehre - überbetrieblich - bei einer anderen Organisation begonnen. Bei der verlängerten Lehre haben Lehrlinge bis zu zwei Jahre länger Zeit ihren Lehrabschluss zu erlangen. Die Lehrzeitdauer kann individuell vereinbart werden. Die Verlängerung beginnt bereits bei einem Tag über der regulären Lehrzeit. 2020, kurz nach dem 1. Lockdown, machte Tatjana ein Praktikum im Fußpflegeinstitut von Eva Zaluska. Sie überzeugte, wurde aufgenommen und setzte ihre Ausbildung im dritten Lehrjahr fort. Seit dem Umstieg in den Betrieb wird sie von einer Berufsausbildungsassistentin aus dem Neba-Netzwerk betreut.
Bereit Weindorfer: Ich bin Berit Weindorfer, Berufsausbildungsassistenz. Jugend am Werk—Wien.
Berit Weindorfer arbeitet seit 10 Jahren im Team der Berufsausbildungsassistenz NEBA bei Jugend am Werk Wien. Sie begleitete Tatjana ab Juni 2020 und erinnert sich gut, worum es bei den ersten Treffen ging.
Berit: Sie hat gesagt, sie ist ein bisschen langsam und tut sich schwer mit dem Lernen manchmal und braucht Motivation. Und das haben wir dann irgendwie hingekriegt. Sie war dann schon sehr motiviert. Tatjana: Ja das stimmt. Aber mittlerweile ist es genau andersherum. Ich bin sehr schnell, was Arbeit angeht. Ich mache das Zack-Zack, aber trotzdem ordentlich und genau. Das wissen meine Kunden, dass ich eine Perfektionistin bin. Sandra zu Berit: Das heißt du hast gewusst – ich muss motivieren. Wie motiviert man junge Menschen?
Berit Weindorfer: Schwierige Frage: ich musste erstmal schauen, wieso sie nicht so motiviert ist, aber es ist dann relativ schnell gegangen, weil ihr das Arbeiten hier im Salon Spaß gemacht hat. Das hat auch viel mitgeholfen, dass ihre Motivation gestiegen ist.
Tatjana: Ja, das war das erste Mal, wo man sich richtig wohl gefühlt hat. Bei anderen Praktika war es: du bist da und du musst. Aber man hat sich nie richtig angekommen gefühlt irgendwie. Ich glaube sehr viele Lehrlinge verstehen, was ich meine. Viele sehen Lehrlinge leider Gottes als Putzkräfte, als Aushilfen und das sollten sie definitiv nicht sein. Natürlich gehört die Hygiene dazu und die Sauberkeit. Das gehört dazu, aber das machen wir Ausgelernten auch.
Ungefähr einmal im Monat trafen sich Berit und Tatjana. Manchmal im Salon, manchmal in der Berufsschule. Auch dort sammelte Tatjana Erfolgserlebnisse. Denn ihre Berufsausbildungsassistentin organsierte ihr über das Projekt kostenlose Nachhilfe in Allgemeiner Wirtschaftslehre und Mathematik. Im Rahmen der Berufsausbildungsassistenz ist es möglich auch andere Unterstützungsleistungen aus dem NEBA-Netzwerk einzubeziehen. Auf Wunsch von Tatjanas Chefin und auch ihr selbst - hat ein Jobcoach mit Tatjana bestimmte Tätigkeiten immer wieder geübt.
Berit Weindorfer: Was ich noch Jobcoaching sagen wollte: Da hat auch dazugehört, dass sie telefonieren übt, Termine vergeben übt, das war ein großes Thema, das hat am Anfang nicht so gut funktioniert, aber das hat sie relativ schnell gelernt dann. Das haben die direkt praktisch geübt.
Mit dem Jobcoach bereitete sich die junge Frau auf die Lehrabschlussprüfung im Oktober 2021 vor. Diesen Tag beschreibt sie als einen der schwierigsten in ihrem Leben. Doch dazu später mehr.
Die Berufsausbildungsassistenz wurde 2003 im Berufsausbildungsgesetz verankert, um Jugendliche und junge Erwachsene, die vor speziellen Herausforderungen stehen, bis zum erfolgreichen Abschluss zu unterstützen. Lejla Gütl leitet seit 2.5 Jahren die BAS-NEBA von Jugend am Werk-Wien. Ihr Team besteht aus 26 Kolleg:innen und 20 Nachhilfelehrer:innen. Sie unterstützen jährlich rund 480 Lehrlinge in Wien.
Lejla Gütl: Diese 20 Jahre, das schafft nicht jedes Projekt in der Landschaft, das zeugt schon von einer gewissen Stabilität und Kontinuität in der Begleitung. Dieses einmalige Angebot wirklich die Lehrlinge vom Beginn der Lehre bis zum Lehrabschluss zu begleiten. Das können durchaus 5 Jahre Begleitung werden, also wirklich eine intensive und langjährige Begleitung, die dann alles umfasst. Und wo auch eine besondere Beziehung zum Betrieb entsteht.
Berufsausbildungsassistent:innen begleiten junge Menschen in der verlängerten Lehre und in der Teilqualifikation. Dabei werden Teile eines oder mehrerer Lehrberufe erlernt und mittels Prüfung abgeschlossen. Die verlängerte Lehre ist bereits in sehr vielen Branchen angekommen: so etwa in den Schönheitsberufen, in der KFZ-Technik, im Einzelhandel, im Handwerk und Bau. Dabei geholfen haben die langjährigen Kontakte zu engagierten Unternehmen, sagt Lelja Gütl.
Lejla Gütl: Wir führen auch eine interne Firmenbefragung einmal im Jahr durch. Und das letzte Ergebnis vom Vorjahr war, dass 97 % der Firmen gesagt haben, dass sie wieder gerne mit uns zusammenarbeiten würden und auch einen verlängerten Lehrling aufnehmen würden, was schon für das Angebot spricht.
Die studierte Psychologin wünscht sich, dass eine verlängerte Lehre künftig auch im Bereich zahnärztliche Fachassistenz möglich ist. Bei Gesprächen mit Unternehmern und Unternehminnen hat Lelja Gütl folgenden Trend festgestellt.
Lejla Gütl: Ich habe beobachtet, dass durch das Pandemieende und den Anstieg des Fachkräftemangels die Bereitschaft gestiegen ist grundsätzlich bei den Unternehmern verlängerte Lehrlinge aufzunehmen. Dass ist schon ein Trend, der sich jetzt abzeichnet.
Laut Sozialministeriumservice haben im Jahr 2021 mehr als 10.000 Jugendliche oder junge Erwachsene, Berufsausbildungsassistenz in Anspruch genommen. 83 Prozent in der verlängerten Lehre und 17 Prozent in der Teilqualifizierung. Die meisten Teilnahmen gab es mit über 3000 in Oberösterreich, gefolgt von der Steiermark, Niederösterreich und Wien.
Zurück zum Fußpflegeinstitut von Ewa Zaluska im 23. Wiener Gemeindebezirk.
Tatjana: Mit diesem Instrument fräst man die Haut schön von dem Nagel weg. Und es poliert die Nagelhaut.
Eine Standard-Fußpflegebehandlung dauert 30 bis 40 Minuten.
Tatjana: Also erstmal ein Fußbad. Dann die Hornhaut entfernen, die Hornhaut polieren. Die Nägel schneiden, fräsen, feilen, Nagellack vielleicht. Wir machen auch eingewachsene Nägel und Hühneraugen. Das machen nicht viele, aber wir schon. Und Maniküre, Basic-Maniküre.
Wenn sie an ihre Lehrabschlussprüfung im Oktober 2021 zurückdenkt, erinnert sich Tatjana wie nervös sie war. Testkunden bei der praktischen Prüfung waren ihre Eltern.
Tatjana: Meine Eltern waren mit mir aufgeregt. (Lacht.) Sandra: Was sagen denn die Eltern dazu, dass du das so erfolgreich geschafft hast? Tatjana: Die freuen sich natürlich sehr, sie sind stolz auf mich. Natürlich auch glücklich, dass ich jetzt ihre Füße machen kann. Sandra: Ah die Mama und der Papa kommen jetzt zu dir? Tatjana: Nein, ich komme zu ihnen, eher so herum. (Lacht.)
Dass Tatjana die Lehrabschlussprüfung beim ersten Mal geschafft hat, ist nicht selbstverständlich, sagt Berufsausbildungasssistentin Berit Weindorfer.
Berit Weindorfer: Die meisten treten 2-3 mal an. Sandra: Was ist dir durch den Kopf gegangen als du gehört hast – sie hat es geschafft? Berit: Ich habe einen Luftsprung gemacht, weil ich mir dachte, es wird sich vielleicht doch nicht ganz ausgehen. Aber ich war wirklich, wirklich glücklich, dass sie das geschafft hat und das bin ich heute noch!
Wenn ein Lehrling die Lehrabschlussprüfung nicht beim ersten Antritt schafft, unterstützt die Berufsausbildungsassistenz auch bei weiteren Versuchen. Rückblickend gesehen findet Tatjana, dass sie viel früher mit dem Lernen beginnen hätte sollen.
Mit ihrem eigenen Lehrling lernt sie bereits jetzt regelmäßig für Schularbeiten und Tests in der Berufsschule und damit auch für Lehrabschlussprüfung. Sie haben richtig gehört: Tatjana bildet nun selbst einen weiblichen Lehrling in der Fußpflege aus. Worauf kommt es ihr an?
Tatjana: Ja, meinem Lehrling erstmal den Beruf beibringen, das ist das Wichtigste, wie sie mit Kunden umgeht, in der Schule helfen, oder neue Sachen beibringen, die sie noch nicht kann und sowas. Sandra: Was muss man beachten beim Umgang mit dem Kunden oder der Kundin? Tatjana: Dass man immer höflich bleibt, weil einige Kunden sind es leider nicht immer. Man muss sachlich und höflich bleiben. Sandra: Wenn man an den Friseur denkt, da kommen Leute hin, die tratschen mit einem und wollen etwas aus ihrem Leben teilen? Bist du eine, die gerne mit den Leuten kommuniziert? Tatjana: Ja natürlich ich finde als Fußpflegerin sollte man schon die Fähigkeit haben zu sprechen. (Lacht.) Es gibt tatsächlich viele Kunden, die mit einem reden, besonders, die Älteren, die keinen haben, die reden ein bisschen mehr. Da muss man schon gut zuhören können.
Den Kurs zur Lehrlingsausbildnerin hat sie im Sommer 2022 abgeschlossen. Das Lehrmädchen, dass sie ausbildet, macht auch eine verlängerte Lehre und wird von Berufsausbildungsassistentin Berit Weindorfer begleitet. An ihrer neuen Rolle macht Tatjana besonders Freude:
Tatjana: Dass ich mein Lehrmädchen sehe, wie sie sich entwickelt, dass sie eine schöne Lehrzeit hat, weil ich von meiner Lehrzeit weiß, dass es nicht immer schön ist. Das versuche ich bei ihr so gut es geht zu vermeiden. Dass sie nur Positives von ihrer Lehrzeit erzählen kann.
Die Hälfte ihrer Lehrausbildung hat Tatjana hat in der Corona-Zeit absolviert. Lockdowns, Kontaktbeschränkung und Distance-Learning stellten viele junge Menschen vor nie gekannte Herausforderungen, auch auf der psychischen Ebene. Das Sozialministeriumservice, das auch die
BAS-NEBA fördert, hat übrigens ein Projekt mit dem Namen #böp-change ins Leben gerufen. Dieses soll mehr gratis Psychotherapie-Plätze für Jugendliche schaffen, die sich Ausbildung befinden. Neben der psychischen Belastung hat die Pandemie auch dafür gesorgt, dass manche Lücken im Schulwissen nur schwer gefüllt werden konnten, sagt Daniela Drexler, stellvertretende Leiterin der Berufsausbildungsassistenz NEBA von Jugend am Werk Wien.
Daniela Drexler: Distance-Learning in der Pandemie hat auf der schulischen Ebene einiges verändert für die Lehrlinge, wie auch für Schüler. Der Lernstoff gehört zum Teil aufgeholt, wir haben sehr intensiv mit den Lehrlingen gearbeitet, Nachhilfen haben sehr intensiv unterstützt.
Im Rahmen der BAS-Neba bekommen Jugendliche für die Berufsschule gratis Nachhilfe zur Verfügung gestellt. Aufgeholt werden musste auch Praxiswissen.
Daniela Drexler: Betriebe waren in bestimmten Branchen monatelang geschlossen, wochenlang. Die Praxis fehlt zum Teil. Sie haben die Ausbildung nicht so machen können, wie sie es vor 5 Jahren machen hätte können oder jetzt wieder, wenn sie starten.
Manchmal kommt es vor, dass Lehrlinge, die einer Zielgruppe für verlängerte Lehre oder Teilqualifikation angehören, eine reguläre Lehrausbildung begonnen haben und hierbei Krisen auftreten. Für solche Fälle gibt es bei der BAS NEBA Jugend am Werk Wien das Angebot der Lehre Plus
Daniela Drexler: und dann können wir in diesem Zeitraum, maximal 6 Monate schauen, wo ist der Unterstützungsbedarf beim Lehrling, beim Betrieb. Wir bieten unser gesamtes Unterstützungssystem an und schauen im Laufe dieses Zeitraums, ob das eine kurzfristige Krise war und man das reguläre Lehrverhältnis weiterführen kann oder wir stellen dann um auf eine verlängerte Lehre.
Neben der verlängerten Lehre gibt es auch die Teilqualfizierung. Dabei werden Teile eines oder mehrerer Lehrberufe erlernt. Dieses Angebot gibt es seit den Anfangstagen der BAS, ist aber etwas weniger bekannt. Damit sich das ändert, bräuchte es auch mehr Aufklärung über die Vorteile. Diese liegen unter anderem darin, dass auch Teilbereiche von mehreren Berufsbildern in einer Teilqualifizierungslehre zusammengefasst werden könnten. Die Teilqualifizierung kann so auf die Fähigkeiten des jungen Menschen angepasst werden.
Daniela Drexler: Wir sind bei der TQ nicht auf ein Berufsbild eingeschränkt. Sondern es könnten auch aus verschiedenen Berufen Aspekte zusammengestellt werden – zB aus Einzelhandel und Büro könnte man verschiedene Aspekte zusammensetzen. Der Lehrling wird dann in diesen Punkten ausgebildet und das kann in Betrieben eine Lücke schließen. Man hat einen Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin die Aufgaben erledigen kann, die bisher nicht so intensiv betreut wurden.
Mein zweiter Firmenbesuch führt mich zu einem großen Billa-Markt im 21. Wiener Gemeindebezirk. Melitsa hat im September 2022 mit der verlängerten Lehre begonnen. Dort hat sie viele Aufgaben:
Melitsa: Ich habe das Wagerl, das ich draußen gesehen habe, wieder an seinen Platz gegeben.
Und auch in der Obst- und Gemüseabteilung wird die 18-jährige gebraucht.
Melitsa: Ich kontrolliere die Frische, ich schaue, ob Obst oder Gemüse kaputt geworden ist oder ob alles im Moment gut ist.
Melitsa ist erst seit drei Jahren in Österreich. Zuvor lebte sie mit ihrer Familie in Bulgarien. Als sie mit ihrer Mutter nach Wien übersiedelte, sprach sie kaum Deutsch. Deutsch sagt sie, habe sie auf der Straße und aus Zeitungen gelernt. Mit ihrem Willen schnellstmöglich eine Ausbildung zu starten, sorgte sie auch an einer Polytechnischen Schule für Erstaunen.
Meltisa: Ich habe mich selbst vorgestellt beim Poly und habe mit Händen und Füßen gezeigt, dass ich mich anmelden will und etwas lernen will. Und natürlich wollte ich die deutsche Sprache zuerst lernen.
Nach dem polytechnischen Lehrgang besuchte sie ein Ausbildungs-Fit-Programm für junge Frauen und nahm die Arbeitsassistenz von Jugend am Werk Wien in Anspruch. Dabei wurde sie unter anderem unterstützt Praktika zu machen – etwa in einer Drogerie-Filiale und einem Gastrobetrieb. So richtig angekommen fühlte sie sich aber erst beim Praktikum in der Billa Filiale in Wien-Floridsdorf.
Melitsa: Das Team hat mir sehr gefallen. Meine Kollegen waren sehr hilfsbereit. Die waren auch sehr lieb mit mir und auch die Frau Gül hat Interesse gezeigt.
Melitsas Chefin Frau Gül arbeitet seit 27 Jahren bei Billa. Seit 2008 ist sie Marktmanagerin und damit auch für das Wohl ihrer Praktikant:innen und Lehrlinge verantwortlich. Sie hat ein gutes Gespür dafür entwickelt, wer in ihr Team passt.
Frau Gül: Sie war so motiviert und hat immer ein Lächeln, das hat mich beeindruckt. Es war für uns ganz schwierige Zeit, wir hatten eine Filialoptimierung und es war eine sehr arbeitsreiche und anstrengende Zeit für mein gesamtes Team. Ich habe gesehen, dass sie den anderen hilft und zeigt, wie man etwas macht. Das hat mich so beeindruckt, obwohl sie neu ist und zeigt einem Lehrling aus dem 2. Lehrjahr, wie er das machen soll. Dann habe ich gleich entschieden: Das passt! Sie ist motiviert, sehr freundlich. Sie wird ur gut passen für mein Team.
Sandra: Was war das für ein Gefühl? Hast du dich gefreut? Melitsa: ich habe ein bisschen geweint und mich sehr, sehr gefreut – ich habe einen Monat gewartet. Ich wollte immer eine Lehre machen und das Team hat mir gefallen und ich habe mich entschieden: Diese Arbeit will ich haben!
Melitsa ist einer von aktuell vier integrativen Lehrlingen im Betrieb.
Frau Gül: Ich finde die verlängerte Lehre toll. Es gibt Lehrlinge mit Behinderung oder junge Menschen, die Unterstützung brauchen – so wie Melitsa. Sie konnte kein Deutsch, brauchte eine Wohnung. Jugend am Werk hat geholfen beim Wohnung suchen. Solche Sachen brauchen auch Jugendliche mit sozialen Schwierigkeiten. Ich hatte einen jungen Mann, der eine Lehre begann, aber er hatte so viele Probleme in der Familie und brauchte Unterstützung. Wir sprachen mit Frau Wegscheider, er kam in die verlängerte Lehre, und hat das leichter gemacht für sein Leben.
Frau Wegscheider ist die Berufsausbildungsassistentin von Melitsa und begleitet sie seit ihrem Lehrbeginn. Sie unterstützt sie in vielen Bereichen: Etwa, wenn es darum geht Nachhilfe für die Berufsschule zu organisieren oder ihr bei unserer Podcast-Aufnahme zur Seite stehen. Bei der Wohnungssuche hat Melitsa das Beratungsteam in Zusammenarbeit mit Frau Wegscheider geholfen.
Melitsa: Also ich verstehe mich sehr gut mit der BAS. Mit ihr treffe ich mich immer wieder auch. Jetzt passt alles, aber wir treffen uns immer ein paarmal im Monat.
Dass sie jederzeit mit der Berufsausbildungsassistentin in Kontakt treten kann, entlastet auch Marktmanagerin Gül.
Frau Gül: Es gibt Lehrlinge, wie Melitsa, da funktioniert alles gut und toll. Wir (mit der BAS) haben immer wieder Besprechungen, geben uns gegenseitig Feedback. Aber es gibt auch schwierige Lehrlinge, dann brauche ich sie intensiv. Als Marktmanagerin brauche ich mich nicht kümmern um schulische Sachen oder wenn etwas nicht funktioniert mit Förderungen, Schule anmelden, das macht alles JAW. Das belastet mich nicht. Auch wenn die Lehrlinge Nachhilfe brauchen. Das organisiert auch JAW. Oder wenn ich mit einem Jugendlichen Probleme habe – arbeitstechnisch dann kommt Jobcoaching und arbeitet mit Jugendlichen bis wir das im Griff haben.
Bei Billa gibt es seit einigen Monaten auch unternehmensinterne Lehrlingsbetreuer:innen, die Lehrlinge mit regulärer, verlängerter Lehre und Teilqualifikation unterstützen. Auch sie stehen in laufendem Kontakt mit den Lehrlingen, um herauszufinden, wo es hakt oder ob Fortbildungen infrage kommen. Auch der Austausch mit der Berufsausbildungsassistenz ist wichtig. Wenn es eine gute Gesprächsbasis zwischen Betrieb und Unterstützungsnetzwerk gibt, lässt sich viel bewegen, ist Berufsausbildungsassistentin Frau Wegscheider überzeugt.
Frau Wegscheider: Dazu gehört, dass man mit der Ausbildnerin und dem Vertriebsmanagement wirklich zusammenarbeitet und schaut, wie kann ich den jungen Menschen unterstützen, dass er seinen Weg weitergehen kann und, dass der Betrieb seine Möglichkeiten der Ausbildung weitergeben kann. Diese Zusammenarbeit ist so wichtig, denke ich.
Der Einzelhandel ist ein großes Einsatzgebiet für die BAS-Neba. Christa Krotky-Maier betreut auch viele andere Branchen. Ihre Jugendlichen machen ihre Ausbildung beispielsweise in der Metallbearbeitung, in der Mal- und Beschichtungstechnik, Tischlerei oder Verwaltung. Regelmäßig führt Krotky-Maier Gespräche auf Baustellen. Unternehmer:innen zu überzeugen, dass diese Feedback-Gespräche wichtig sind, gehört auch zu ihren Aufgaben.
Christa Krotky-Maier: Es kommt schon vor, wenn Firmen erstmals in dem Bereich ausbilden, dass sich manche die Frage stellen: Einmal im Monat und ich habe eh so wenig Zeit. Da ist es wichtig, dass wir davon überzeugen: es ist eine Zeitressource, die Sie sich freihalten müssen. Aber Sie werden erkennen, dass Sie einen Gewinn davon haben. Sie nehmen sich eine halbe Stunde Zeit, wir besprechen, was gut läuft, was noch nicht so gut läuft. Wir können Unterstützungsmaßnahmen einleiten und Sie werden nach einer Zeit erkennen, dass sich diese halbe Stunde lohnt.
Auch die Wahrnehmung der Berufsausbildungsassistenz hat sich verändert.
Christa Krotky-Maier: Es liegt daran, dass wir sowohl in Betrieben als auch in der Berufsschule nicht mehr als Kontrolle wahrgenommen werden. Das habe ich am Anfang schon erlebt: Das ist toll, aber sie brauchen nicht kommen, nur wenn ich sie anrufe. Auch in den Schulen – ja, ja, wir melden uns schon so ein bisschen die Sorge, der kontrolliert mich. Ich will das nicht. Das ist jemand, der braucht Zeit, die ich nicht habe. Das hat sich einfach geändert. Wir werden nicht mehr als Kontrolle, sondern als Unterstützung wahrgenommen und deshalb ist die Akzeptanz größer geworden.
Die verlängerte Lehre oder die Teilqualifizierung kann auch in Klein- und Mittelbetrieben gut eingesetzt werden, ist die erfahrene Berufsausbildungsassistentin, überzeugt. Die Vorteile würden sich herumsprechen. Zudem spielen auch finanzielle Anreize eine Rolle.
Christa Krotky-Maier: Weil man davon ausgehen kann, nicht muss, aber kann. Dass es Phasen gibt, in denen der Lehrling nicht 100 % leisten kann oder wo er einfach für gewisse Tätigkeiten länger braucht. Dazu gibt es auch die verlängerte Lehre und auch die Förderung.
Zurück nach Wien-Floridsdorf zu Melitsa.
Melitsa: In der Feinkost habe ich auch schon Erfahrungen gesammelt. Ich habe dort sehr viel gelernt. Ich habe beim Abschreiben von kaputten, gestohlenen, abgelaufenen Produkten geholfen. Auf der Verkaufsfläche habe ich Öl, Essig, Gewürze, Obst- und Gemüse im Frischdienst geholfen. Ich habe auch mit der Reinigungsmaschine erste Erfahrung gemacht. (Lacht.)
Wenn man mit jungen Menschen zusammenarbeitet, muss man das mit Herz machen, sagt Marktmanagerin Frau Gül. Soll das funktionieren, muss man bei Aufgabenverteilung auf die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen achten.
Frau Gül: Manche können sich nicht konzentrieren, bei anderen gibt es Deutsch oder Matheprobleme, manche sind vergesslich. Man muss mit jedem Jugendlichen anders umgehen. Ich habe einen Lehrling, er ist vergesslich, das Team und ich wissen, wir können ihm nicht zwei Aufgaben gleichzeitig geben. Ich habe auch einen Lehrling, der ist nicht gerne mit Leuten zusammen, braucht seine Ruhe. Und wenn wir Kaffee trinken gehen, will er nicht dabei sein und das akzeptiere ich. Es gibt verschiedene Lehrlinge mit verschiedenen Schwächen und Stärken. Als Führungskraft, glaube ich muss man das herausfinden, dann geht alles leichter.
Zu Melitsas Stärken zählt es gerne mit Menschen zu arbeiten.
Melitsa: Sandra: Fragen die Kunden, dich manchmal was – wo ist dieses oder jenes Produkt? Melitsa: Ja, natürlich ich habe auch Stammkundinnen, die immer mit mir reden wollen. (Lacht.)
An Schwächen könne man arbeiten, aber ohne Motivation, hilft auch kein Training, weiß die Chefin. Die Lehrlinge in ihrem Team habenfixe Ansprechpartner:innen, die sie anleiten.
Frau Gül: Sie hat eine Mentorin, sie bringt der Melitsa alles bei: Abschreibung, Schlichtung, bis Inventur hilft sie mit und ich kriege immer wieder Feedback. Wir haben das und das gemacht, sie hat das und gelernt. Was fehlt noch? Welche Seminare soll sie besuchen noch zum Beispiel?
Zurzeit besucht Melitsa zweimal in der Woche die Berufsschule. Dabei hat sie gute Erfahrungen gemacht.
Melitsa: Mir geht es jetzt sehr gut in der Berufsschule, manchmal habe ich Nachhilfe als Hilfe gebraucht und ich habe Tipps bekommen, wie ich mein Deutsch verbessern kann. Ich verstehe mich gut mit Klassenkollegen und Lehrern. Sandra: Worin hattest du die Nachhilfe? Melitsa: In Deutsch und Englisch. Sandra: und hattest du ein Lieblingsfach? Melitsa: Mathe. Sandra: Ich wünschte ich könnte das auch sagen.
Unternehmen, die sich überlegen junge Menschen in einer verlängerten Lehre oder in Teilqualifizierung auszubilden, rät die Marktmanagerin jedenfalls zu einem Praktikum.
Frau Gül: Das Praktikum soll immer mindestens zwei Wochen dauern, weil die erste Woche reicht nicht aus. Der Jugendliche lernt alles kennen, lernt die Kollegen kennen. Wo ist die Ware? Da kann man zu einer falschen Entscheidung kommen. Ab der 2 Woche können Sie viel Erfahrung sammeln und besser entscheiden. Was kann man verlieren? Jugendliche brauchen diese Chance Erfahrungen zu sammeln und schnuppern zu können.
Außerdem gäbe es auch die dreimonatige Probezeit. Melitsa hat einige Ideen, wie es beruflich weitergehen soll.
Meltisa: Zuerst will ich die erste Klasse abschließen, danach den Lehrabschluss, danach habe ich einige Ideen – ich könnte mir gut vorstellen einmal eine Stellvertretungsposition zu haben.
Bei Billa gibt es das Programm „Zukunftstalente“, dass sich an junge Menschen nach dem Lehrabschluss richtet. Ziel ist es Ausgelernte darin zu unterstützen in eine Führungsposition hineinzuwachsen. Jeder Lehrling hat bestimmte Stärken und Fertigkeiten. Manche haben das Potenzial zur Führungskraft.
Frau Gül: Einige Lehrlinge werden nachher Stellvertretungen und Marktmanagerinnen. Wir brauchen auch vertrauenswürdige, verlässliche Mitarbeiter. Es ist mir bewusst: viele meiner Lehrlinge können keine Führungskräfte werden, aber das sind wirklich tolle Menschen, motivierte Mitarbeiter:innen und sie werden auch jahrelang bei uns arbeiten. Melitsa traue ich in Zukunft wirklich zu eine Führungskraft zu werden!
Die Berufsausbildungsassistenz hat sich in den 20 Jahren ihres Bestehens zu einem fixen Baustein der Unterstützungslandschaft entwickelt. Das Angebot ist für Betriebe, wie Jugendliche kostenlos und wird vom Sozialministeriumservice gefördert. Die Mittel kommen aus dem Ausgleichstaxfonds. Tatjana und Melitsa sind zwei Beispiele für eine gelungene Begleitung durch die BAS-NEBA. Bei manchen Jugendlichen braucht es aber mehrere Anläufe, bis die passende Ausbildung gefunden ist. Denn gerade bei Jugendlichen mit besonderem Unterstützungsbedarf ist der Weg zur beruflichen Teilhabe oftmals länger. Sie brauchen Zeit, Geduld und Motivation, um theoretische und praktische Inhalte zu vertiefen. Mehr Informationen zur Jugend am Werk-Wien und zum NEBA-Angebot „Berufsausbildungsassistenz“ generell, habe ich Ihnen in die Shownotes gestellt. Die Website von dabei-austria erreichen Sie unter www.dabei-austria.at Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, empfehlen Sie uns bitte weiter. Wir freuen uns über eine gute Bewertung auf der Podcastplattform Ihrer Wahl. Auf ein baldiges Wiederhören freut sich Sandra Knopp.