Dabei sein im Arbeitsleben - Chancen für alle! Der Podcast von dabei-austria.

Inklusiv und Unabhängig: Selbstständigkeit neu gedacht

Episode Summary

In dieser Podcastfolge geht es um inklusives Unternehmertum, genauer gesagt, um die Selbstständigkeit von Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen. Julia Wallisch arbeitet daran mit ihrer Job-Finding-App „Femabilities“ Frauen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt sichtbarer zu machen. Markus Raffer hat neun Jahre lang das Technologie- Start-Up Tec-Innovations geführt und berät nun Menschen mit Behinderung bei der Gründung.

Episode Notes

In dieser Podcastfolge geht es um inklusives Unternehmertum, genauer gesagt, um die Selbstständigkeit von Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen. Julia Wallisch arbeitet daran mit ihrer Job-Finding-App „Femabilities“ Frauen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt sichtbarer zu machen. Markus Raffer hat neun Jahre lang das Technologie- Start-Up Tec-Innovations geführt und berät nun Menschen mit Behinderung bei der Gründung.  Ich habe die beiden im Rahmen der dabei-austria-Betriebsservice-Fachtage im November 2023 im ÖGB-Catamaran getroffen. In ihren Erzählungen geht es um neue Ideen, um Chancen, Hoffnungen und Herausforderungen, um Scheitern und Neuanfang – also um Selbstständigkeit in vielen Facetten. 

 

Links

www.femabilitis.com

AED Austria (aed-austria.org) 

Monopolverwaltung GmbH » MVG 

Förderungen für Unternehmer mit Behinderungen (usp.gv.at) 

 

Foto: Alt-Text: 

Links: Julia Wallisch 

mit dem Mikrofon in der Hand: Sandra Knopp 

Copyright: Michael Landschau, dabei-austria

 

Episode Transcription

Inklusiv und Unabhängig: Selbstständigkeit neu gedacht

Herzlich Willkommen, sagt Sandra Knopp. Im Podcast von dabei-austria geht es um Menschen, die berufliche Perspektiven suchen und jene, die sie dabei unterstützen. An den Anfang der heutigen Folge möchte ich ein Zitat von Apple-Mitgründer Steve Jobs stellen: „Es gibt nur einen Weg Großartiges zu leisten: Zu tun, was man liebt“. Diese Erfahrung machten auch Julia Wallisch und Markus Raffer, die das Leben als Selbstständige mit Behinderung kennen. Julia Wallisch arbeitet daran mit ihrer Job-Finding-App „Femabilities“ Frauen mit Behinderungen am Arbeitsmarkt sichtbarer zu machen. Markus Raffer hat neun Jahre lang das Technologie- Start-Up Tec-Innovations geführt und berät nun Menschen mit Behinderung bei der Gründung. Ich habe die beiden im Rahmen der dabei-austria-Betriebsservice-Fachtage im November 2023 im ÖGB-Catamaran getroffen. In ihren Erzählungen geht es um neue Ideen, um Chancen, Hoffnungen und Herausforderungen, um Scheitern und Neuanfang – also um Selbstständigkeit in vielen Facetten. 

Julia Wallisch: Ja. Hallo. Mein Name ist Julia Wallisch. Meinen Beruf beschreiben ist ein bisschen komplexer, weil ich gefühlt so viel mache. Aber ich würde es runterbrechen auf Disability and Inclusion Consultant, so wie Gründerin. Und ich bin jemand, der sich dafür einsetzt, dass es zu einer inklusiven Gesellschaft kommt und zu einer sozialen Gerechtigkeit. 

Moderation: Julia Wallisch ist gebürtige Grazerin, lebt aber seit langem in Wien. Julia ist Mitte 30 und 1m 62 groß, hat schulterlange braune Haare und trägt eine Brille. Ursprünglich wollte sie ihre Liebe zur Kunst zum Beruf machen. 

Julia Wallisch: Also ich habe in Wien, in Hamburg, Berlin und Oslo studiert - Bildende Kunst, also vor allem in diesem Bereich. Das ist auch immer so schwierig. Ich war auf jeden Fall keine Malerin, aber habe bildhauerisch im erweiterten Sinne gearbeitet, aber auch sehr viel mit Text und Sprache. 

Moderation: Nach dem Diplom bekommt sie den Auftrag im Bereich Bühnenbild bei Theatern zu arbeiten. Doch nur drei Monate nach dem Studienabschluss stellt sich am 10. Februar 2017 ihr Leben auf den Kopf. Julia lebt zu dieser Zeit in Berlin. Bei einem Wien-Besuch landet sie quasi vom Gehsteig auf der Intensivstation, wie sie erzählt. 

Julia Wallisch: Ich wurde 2017 mit einem sehr bösartigen Gehirntumor diagnostiziert und so etwas verändert natürlich das Leben und macht dann bewusst, was einem wichtig ist und was einem nicht wichtig ist. Und bei mir ist eben das Bedürfnis stärker geworden, was schon immer da war, für eine soziale Gerechtigkeit zu kämpfen. 

 

Moderation: Ihren 30. Geburtstag, den andere groß feiern, verbringt Julia im Spital. Insgesamt ist sie fast ein Jahr im Krankenhaus Aufzugeben ist für sie keine Option. 

Julia Wallisch: Ich glaube, das ist so ein bisschen Charakter inhärent. Ich weiß nicht, ich bin grundsätzlich eine sehr motivierte Person oder will mich einfach immer weiterbilden, weiterentwickeln und einfach ja mein Leben so gestalten, dass es schön ist und dass es sich gut anfühlt, sozusagen. 

 

Moderation: Durch die Krankheit wird Julia Wallisch zu einer Expertin für das Leben mit nicht sichtbaren Behinderungen– denn ihr Leben hat sich sehr verändert. 

Julia Wallisch: Also bei mir war es wirklich so, dass ich das ganze Programm bekommen hab, aus Sicherheit sozusagen. Also ich hatte eben Operationen, Chemotherapie und Bestrahlung und das viele glauben, sobald sozusagen der Tumor entfernt ist, dass wieder alles gut ist. Aber es gibt natürlich Nachwirkungen. Also ich habe viele Organschäden, ich hab eine Sehbehinderung, eine Hörbehinderung, ich habe eine chronische Erkrankung - ME/CFS das chronische Fatigue Syndrom 

 

Moderation: ME/CFS ist eine neuroimmonologische Multisystemerkrankung. Betroffene erleben eine beeinträchtigte Leistungsfähigkeit, die sich in starker körperlicher Erschöpfung niederschlägt. Vielen Menschen ist nicht bewusst, wie sich diese nicht sichtbare Erkrankung auf den Alltag auswirkt. Auch Betroffene von Long Covid erzählen von extremer Erschöpfung. Mediale Berichte von Menschen, die erzählen wie anstrengend es für sie geworden ist aufzustehen, den Geschirrspüler auszuräumen oder mit dem Hund rauszugehen, zeigen wie schwer der Alltag wird. 

Julia Wallisch: Wie lebe ich damit? Also mittlerweile besser, weil ich einfach besser einschätzen kann, welche Möglichkeiten ich habe an dem Tag, wie viel Energie ich habe, an dem Tag, was möglich ist, sozusagen. Und das war lange schwierig, weil ich eben ja vom Charakter her, glaube ich, einfach nicht wollte oder es anders kannte, ja anders kannte, dass ich mehr Energie habe und dass ich mehr Sachen machen kann. Und mittlerweile, ja, muss ich da einfach priorisieren, was sich ausgeht und was nicht. 

Sandra Knopp: Jetzt sind wir schon mit den unsichtbaren Behinderungen drin. Also welche Vorteile begegnen dir und wie begegnest du den Vorurteilen? Was sagst du da drauf? 

Julia Wallisch: Hm, ja, auch spannende Frage. Also nicht sichtbare Behinderungen. Spoiler Alert 90 % der Bindungen sind nicht sichtbar. Was auch sehr wichtig ist, finde ich, dass sich Menschen dessen bewusst sind. Und natürlich habe ich viele Erfahrungen schon gesammelt, wo ich einfach schräg angeschaut wurde, sagen wir mal so. Ja. Also wenn ich zum Beispiel den Lift benutzen musste, weil ich auch stiegensteigen kann, wo ich einfach quasi angeschrien wurde, weil eine Person mit dem Kinderwagen oder so den Lift benutzen wollte und die Priorität gesehen hat von sich, also dass die Person den Lift benutzen durfte oder auch einfach ja das vergünstigte Ticket im Bus, wo du dann nachweisen musst mit den Behindertenausweis, dass du sehr wohl diese Vergünstigungen haben darfst, also es ist schwierig. Wie ich dem begegne, muss ich tatsächlich sagen, kommt auch ein bisschen auf meine Laune darauf an, aber grundsätzlich eher humorvoll. Ja, weil ich mich nicht darüber ärgern möchte. Aber in Momenten ist es dann doch sehr, sehr. Macht mich ein bisschen wütend.

Moderation: Julia Wallisch habe ich vor ein paar Monaten bei einer Tagung von dabei-austria kennengelernt. Wir kamen ins Gespräch und waren schnell per-du - deshalb haben wir  uns auch in den Gesprächspassagen daran gehalten. Als Expertin für nicht sichtbare Behinderungen und chronische Erkrankungen weiß meine Gesprächspartnerin, wie wichtig es ist über dieses Tabu-Thema zu sprechen – um Vorurteile aufzubrechen und auf Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Flexible Arbeitszeiten, die es ermöglichen Arzttermine wahrzunehmen und Homeoffice erleichtern Betroffenen den Arbeitsalltag, weil sie durch den Entfall des Arbeitsweges Kraft sparen. Was vielfach übersehen wird sind die Ressourcen der Betroffenen, etwa was Zeitmanagement betrifft. Julia Wallisch arbeitet momentan an der App „Femabilities“, die genau das tut: Unternehmen auf die Potenziale von Frauen mit Behinderung aufmerksam zu machen. Wie? Dazu gleich mehr. 

Markus Raffer:In den Kindheitsträumen war eigentlich meine Vorstellung, gerne Richter werden zu wollen. Ich hatte dann auch Rechtswissenschaften studiert und auch das Gerichtspraktikum abgelegt, habe aber im Zuge dessen festgestellt, dass der Richterberuf für mich nicht das Richtige ist. Und zeitgleich bin ich eben auf eine Gründeridee gestoßen, also meines Mitgründers sozusagen in späterer Folge. Ich habe ihn auch kontaktiert und bin dann so in das Unternehmertum hineingerutscht. Es war nicht von langer Hand geplant. 

Moderation: Das ist Markus Raffer, der zweite Protagonist dieser Folge. Auch er ist ein Gründer mit Behinderung. Geboren wurde er 1990 in Kärnten. Von Geburt an hat er eine hochgradige Sehbehinderung. Inzwischen gilt er gesetzlich als blind. Er beschreibt sich als Mann mit dunklen Haaren, die zwischendurch nicht mehr ganz so dunkel sind, trägt einen dunklen Anzug und ist 1 m 86 groß. Die Geschichte von Tec-Innovation begann quasi beim Fernsehen. 

Markus Raffer: Das ist richtig. Mein Mitgründer Kevin Pajestka hatte einen TV Beitrag über seine Diplomarbeit, wo es eben darum gegangen ist, Technologie für sehbehinderte, blinde Menschen zu entwickeln. Und ich bin ja selbst von Geburt an hochgradig sehbehindert. Deshalb hat mich diese Idee auf zwei Ebenen angesprochen. Einerseits natürlich als Anwender, andererseits aber auch der unternehmerische Aspekt war für mich schon auch sehr reizvoll. 

Sandra Knopp: Und was war das Produkt genau, wenn wir das noch mal zusammenfassen?

Markus Raffer: Unser erstes Produkt, wir haben einige entwickelt, das erste Produkt wirklich ein smarter, intelligenter Schuh zur Erkennung von Hindernissen. Das heißt, hier war Elektronik, Abstandsmesser, Sensorik, die wir selbst entwickelt haben. Die war in den Schuhen verbaut und hat so während dem Gehen vor Hindernissen gewarnt und man hat es über Vibration in den Schuhen gespürt. 

Sandra Knopp: Und später gab es dann die Idee, dass damit nicht jedes Mal ein neues Paar Schuhe gekauft werden muss, dass eine Art Teil eingesetzt werden kann. 

Markus Raffer: Richtig. Wir waren sehr stark in der Forschung und Entwicklung. Wir haben eben das Gerät, die Elektronik, wechselbar gestaltet, sodass man es von Schuh zu Schuh wechseln hat können. Wir haben dann auch ein kleines, flexibles Teil für die höhere Ebene entwickelt, dass man sich beispielsweise eine Jacke klipsen konnte, bis hin zu Artificial Intelligence Anwendungen für das Smartphone, mit denen man über die Kamera sozusagen auch Hindernisse erkennen kann. 

Sandra Knopp: Und Sie haben vorhin im Vortrag so schön gesagt Sie haben alle Stufen eines Unternehmens mitgemacht, eines Start-ups, Investorensuche. Sie hatten dann, glaube ich, zehn Mitarbeitern, Mitarbeiterinnen. Was war so das Schönste am Gründen oder Unternehmer sein?

Markus Raffer : Das Schönste, das, was mich immer motiviert hat, war eigentlich zu sehen, dass man mit dem, was man tut, mit den Produkten, die man schafft, dass man hier wirklich den Alltag vielleicht klingt es ein bisschen hochgezogen, aber das Leben von einzelnen Menschen in einer gewissen Art und Weise verbessern kann, das war immer so toll, wenn der Kunde dann sagte Wow, jetzt bin ich unabhängiger oder jetzt kann ich das machen, was ich vorher alleine nicht machen konnte. Das war eigentlich immer die größte Motivation. 

Sandra Knopp: Was waren die größten Herausforderungen? Weil Sie haben gesagt, es war nicht immer einfach in den neuen Jahren. 

Markus Raffer: Na ja, absolut. Also es war immer ein ewig langer Marathon natürlich, bis man das notwendige Kapital beisammenhat, um diese völlig neuartige Entwicklung überhaupt umsetzen zu können. Das hat mal zwei Jahre lang gedauert, bis wir das erste Investment abschließen konnten und die ersten Förderungen lukrieren konnten. Da war es gefühlt ewig und man dachte, man kommt eigentlich nicht vom Fleck. Der nächste Punkt war die Entwicklung. Wir haben dann fast sechs Jahre lang entwickelt. Da war oft genug die Perspektive Das wird nie fertig, das wird nie funktionieren. Dann kam die Regulatorik dazu. Wir sind ein Medizinprodukte der Klasse 1- Kennzeichnung wieder ewig lang. Und dann die letzte Durststrecke sozusagen war dann auch die Etablierung am Hilfsmittelmarkt im Sinne von Finanzierung durch öffentliche Stellen. Und das war auch leider der Punkt, an dem wir letztendlich gescheitert sind. Wir haben es nicht geschafft, unser Geschäftsmodell nachhaltig zu finanzieren, weil wir einfach festgestellt haben, dass wir in jede Region, in die wir gehen. Österreichweit gibt es neun Bundesländer. International war man auch in Deutschland, in der Schweiz. Und international waren wir auch in ferneren Ländern unterwegs. Wir sind immer vor der Tatsache gestanden, dass zwischen dem Punkt, wo der Kunde sagt, Ja, finde ich gut, ich möchte ein Produkt von euch haben, bis wir das Geld dafür kriegen. Weil es nun mal so ist, dass solche Hilfsmittel nicht von den Betroffenen selbst bezahlt werden, vergehen halt schon mal zwei Jahre und das kann man als Unternehmen schwer stemmen, war auch immer eine Herausforderung, die wir zwar vor Augen hatten, immer, aber wir waren halt optimistischer, dass wir die besser beherrschen können. 

Moderation: Im Sommer 2023 wird Markus Raffer und seinem Geschäftspartner klar, dass es eine Weiterfinanzierung von Tec Innovation nicht möglich ist. Dieser Schritt ist ihnen nicht leicht gefallen. Aus seiner Zeit als Selbstständiger nimmt Markus Raffer viel Positives mit. In keinem anderen Job sagt er, hätte er so viel gesehen und gelernt. 

Markus Raffer: Es bietet die Chance der Flexibilität, natürlich. Also als Unternehmer kann ich mir viel einteilen und kann das mitunter auch besser mit meiner Behinderung in Einklang bringen als jetzt in Angestelltenverhältnis. Ich kann mitunter selbst entscheiden, wo ich arbeite, wann ich arbeite, wie viel ich arbeite. Aber natürlich, wir haben es heute gehört. Die Selbstständigkeit ist nicht immer rosig. Es bedarf vieler guter Voraussetzungen, damit das Sinn macht. Das heißt, ich brauche das Betätigungsfeld, ich brauche vielleicht das Know-how dazu. Ich brauche eine gute Gelegenheit, und deshalb muss da schon viel zusammenspielen, damit die Selbstständigkeit passt. Wir als AED wollen die Anlaufstelle für jene sein, die damit liebäugeln oder etwas im Kopf haben und dabei unterstützen. 

Moderation: AED steht für Association of Entrepreneurs with Disabilities. Der gemeinnützige Verein, dem Markus Raffer vorsteht, wurde 2021 gegründet. Ziele des inklusiven Netzwerks sind Vernetzung Öffentlichkeitsarbeit und Schulungen. 
Menschen mit Behinderung – im Speziellen Frauen - mehr Sichtbarkeit zu geben, ist auch das Ziel von Julia Wallisch. Als sie im Bereich HR im Diversity Management der Vereinten Nationen in Wien arbeitet und nach Talenten mit Behinderung sucht, fällt ihr auf, dass es zwar Plattformen gibt, wo Unternehmen Jobs für Menschen mit Behinderung ausschreiben. Aber es fehlt eine Plattform, wo sich Menschen mit Behinderung mit einem Profil präsentieren können. 

Julia Wallisch:  Genau. Also meine Lösung dafür nennt sich ein Femabilities. Femabilities ist eine Job Matching Plattform, ein berufliches Netzwerk, das eben mehr Sichtbarkeit von Frauen als potenzielle Arbeitskräfte generieren soll sowie Unternehmen damit auch unterstützen soll im Rekrutierungsprozess dieser Zielgruppe. Also ich möchte damit Frauen einfach auch einen sicheren Raum geben, wo sie offen über ihre Behinderung sprechen können und auch vor allem, was sie aufgrund dessen für einen inklusiven, barrierefreien Arbeitsplatz brauchen. 

Moderation: Im Vorfeld wurden Frauen mit Behinderung befragt, was ihnen bei den Profilen auf einer solchen App wichtig wäre. 

Julia Wallisch: Und da waren eben Antworten wie einerseits anzugeben, was sie einfach durch ihre Behinderung auch gelernt haben und auch, was sie für einen barrierefreien Arbeitsplatz brauchen. Es gibt Profile der Frauen, wo sie sich präsentieren können. Und es gibt eben auch Profile der Unternehmen. Es ist sozusagen ein Netzwerk, wo sie sich miteinander austauschen können. Und die Unternehmen können natürlich auch offene Positionen präsentieren, posten und eben nach gewissen Positionen suchen. 

Sandra Knopp: Du hast gerade einen ganz wichtigen Punkt angesprochen Ressourcen und zeigen, was man kann auch aufgrund der Erkrankung, weil du wirst wahrscheinlich wie viele andere auch sehr gut sein im managen von Terminen usw oder was sind so Punkte, die die Frauen zum Beispiel angeben können? 

Julia Wallisch: Genau. Also da kann ich eben von mir persönlich sprechen, dass natürlich eine Priorisierung von Dingen ja sich entwickelt hat, weil es einfach wichtig ist, eben zu sehen, wie viel Energie habe ich an dem Tag und was ist wirklich wichtig und was ist einfach nicht so wichtig. Und ich glaube, dass es von mir bestimmt etwas, was ich gelernt habe. Aber ich weiß eben auch von anderen Frauen, die eben dadurch gelernt haben, ja sich Dingen bewusster zu sein oder auch eben, was sie nicht mehr wollen oder was sie in ihrem Leben auch beruflich machen möchten usw. 

Sandra Knopp: Was ist deiner Meinung nach der Grund, warum Frauen mit Behinderung oft weniger sichtbar sind, speziell auch, wenn sie eine nicht sichtbare Erkrankung oder Einschränkungen haben? 

Julia Wallisch: Also ich glaube, das  ist einfach ein strukturelles Problem. Also das gleiche Problem wie auch bei Frauen, die keine Behinderung haben. Also dass Frauen einfach noch zu wenig Fähigkeiten zugeschrieben werden, zu wenig zugetraut wird. Und wie gesagt, das ist grundsätzlich bei Frauen leider noch immer so und auch vor allem beim Menschen, aber eben auch bei Frauen mit Behinderungen. Dass diesen Menschen zu wenig zugetraut wird, zu wenig Fähigkeiten gesehen werden.

Sandra Knopp: sie sich vielleicht auch leider zu wenig zutrauen, weil sie diese Erfahrung nicht gemacht haben. 

Julia Wallisch: Genau. Also da kommen mir so ein bisschen, würde ich sagen und das weiß ich natürlich auch von mir und von anderen zu diesem internalisierten Ableismus, also dass man glaubt einfach, dass man aufgrund der Behinderung weniger wert ist, eben weil man Erfahrungen gemacht hat, weil einem zu wenig zugetraut wird und ja, vielleicht auch eine gewisse Scham empfindet, weil man eben nicht so funktioniert und Anführungszeichen wie andere in der Gesellschaft. Also dieses Gefühl hat nicht zu funktionieren. 

 

Moderation: Julia Wallisch erzählt  , dass femabilities aus einem großen Advisory Board besteht - darunter z.B. einem Data Analyst, Software Engineer, einer Frau für Digital Accessibility, einer UX Researcher und eben ihr als Gründerin . femabilities finanziert sich mittels Förderungen und soll Frauen unabhängig ihrer Behinderung oder Erkrankung offenstehen. 

Julia Wallisch: Hm, ich glaube tatsächlich, dadurch, dass Unternehmen einfach sehen, welche Bandbreite es von Expertisen im Bereich Frauen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen gibt. Und ich glaube, das eben durch so eine Sichtbarkeit auch bewusst wird, welches Potenzial es hier gibt, das leider von Unternehmen noch nicht genutzt wird. 

Markus Raffer: Deshalb das lange Zeit so des Menschen mit Behinderungen wenig sichtbar waren bei der Besetzung offener Stellen. Warum? Weil die Unternehmen fünf andere ohne Behinderung gehabt haben, die den Job gerne machen würden. Und wie gesagt, der Unternehmer muss eigentlich sein Unternehmen führen, denkt sich offene Position ist besetzt. Super, weiter geht's. Jetzt sehen wir die Situation. Jetzt stehen da keine fünf anderen. Es ist die Chance für alle Menschen, mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt zu kommen. Gibt es noch immer genug Hürden? Keine Frage. Aber die Ausgangslage schon einmal viel besser.

 

Moderation: Den Fachkräftemangel sieht Markus Raffer als große Chance für Menschen mit Behinderung. Unternehmen seien dazu angehalten nicht auf diese Arbeitskräfte zu verzichten. Der 33-jährige arbeitet neben seiner Tätigkeit für die Vereinigung von Unternehmern mit Behinderung inzwischen für die MVG, die Monopolverwaltungsgesellschaft. Diese gibt an – im Schnitt jeden fünften Tag einem Menschen mit Behinderung die Selbstständigkeit zu ermöglichen. 

Markus Raffer: Also die MVG des MVG steht für Monopolverwaltungsgesellschaft, ist eine Tochter des Finanzministeriums und verwaltet das Tabakmonopol in Österreich, in dem sie Trafiken vergibt. Und das einerseits sehr, sehr alte, aber aus meiner Sicht wahnsinnig moderne ist es, jede freiwerdende Trafik ausschließlich an Menschen mit Behinderungen vergeben wird. Das heißt, es bedarf eines Bescheides mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 %, dass man sich um eine Trafik bewerben kann. Warum ist das alt? Weil das zurückgeht auf Josef dem Zweiten. 1784 Geht das auf Kaiser Josef den zweiten zurück. Und der hat damals das Monopol auf Tabakwaren geschaffen, um einfach die Staatskasse aufzubessern. Aber er hat es damals wirklich Kriegsversehrten vorbehalten. Das heißt, er hat vor 240 Jahren schon als Einkunftsquelle für kriegsversehrten Kriegsinvaliden diese Branche vorbehalten. Und das ist bis heute geblieben. Natürlich erweitert auf alle Behinderungen mit einem Grad von 50 %. Und somit können wir in dieser Tätigkeit Menschen mit Behinderungen zum Unternehmer machen. Und das bewirkt wirklich extrem spannende und rührende Geschichten, Weil hier Menschen viele haben sozusagen eine Behinderung erst später erworben, dass die subjektiv fühlend vom Rande der Gesellschaft wieder zurück zum Arbeitgeber, zum Unternehmer werden. Das ist ja ganz toll. 

 

Moderation: Jedes Jahr werden im Schnitt 70 Trafiken neu vergeben. Trafikanten oder Trafikantinnen in spe muss zuerst eine Aufnahmeprüfung ablegen. Dann unterstützt die MVG mit einem Schulungsangebot. Die MVG  ist auch ein Gründungsmitglied der AED, also der Unternehmervereinigung von Menschen mit Behinderung. Weitere Mitglieder sind Videbis und Haller Mobil. Unterstützung gibt es auch durch die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehbehinderten und die Erste Bank. Als Interessensvertretung hat der gemeinnützige Verein einige Vorschläge für Politik und Gesellschaft zur Inklusion von Menschen mit Behinderung. 

Markus Raffer: Wir würden gerne in die Schulen gehen, um zu zeigen Menschen mit Behinderung können auch Unternehmer sein. Weil wenn Kinder, die dann einmal Erwachsene werden, Entscheidungsträger werden, HR-Manager werden. Wenn die frühzeitig mit Menschen mit Behinderungen konfrontiert werden und ihnen gezeigt wird, dass die die gleichen Karrierewege Lebenswege machen können wie Menschen ohne Behinderung, dann ist einfach mal diese Berührungsangst schon einmal weg. Wir zeigen aber auch ganz viele Missstände, auf die es halt nun mal gibt. Warum auch immer. Weil überbürokratisiert, weil Lücken in den Gesetzen zum Beispiel Hilfsmittel am Arbeitsplatz ist immer ein Thema. 

 

Moderation: So kann es vorkommen, dass zwar ein Job in Aussicht ist, aber es lange dauert, bis das passende Hilfsmittel finanziert wird, mit dem sich der Beruf überhaupt ausüben lässt, kritisiert Markus Raffer. Bei der AED gibt es regelmäßige inklusiv gestaltete Netzwerktreffen, einen Podcast und ab Jänner und Februar 2024 ein neues, kostenloses Schulungsprogramm für potenzielle Unternehmer: innen. 

Markus Raffer: Da gibt es die Möglichkeit, das in Präsenz Niederösterreich zu besuchen, aber auch online. Und da geht es darum, Menschen mit Behinderungen, wo der Grad der Behinderung überhaupt keine Rolle spielt, von der Orientierungsphase abzuholen und zu begleiten, bis sie für sich einen Plan geschmiedet haben, wo es in der Zukunft hingehen soll. Die Selbstständigkeit kann hier eine mögliche Variante sein, die am Ende rauskommt. Muss es aber überhaupt nicht. Es geht doch darum, wenn jemand sagt Ich weiß, ich möchte jetzt Lehrer werden, ich möchte jetzt Maler werden, was auch immer, ist das genau das Ziel. Das Ziel ist, am Ende des Tages Menschen mit Behinderungen in die Erwerbstätigkeit zu bekommen. 

 

Julia Wallisch: Also im Moment bedeutet es einfach für mich, das zu machen, was ich machen möchte und was mir wichtig ist, ich helfe dabei etwas weiter zu entwickeln oder eben für etwas zu arbeiten, zu kämpfen für eine Verbesserung unserer Gesellschaft. 

 

Moderation: Für Frauen mit Behinderung, die sich am Arbeitsplatz weiterentwickeln wollen oder neu einsteigen wollen hat Julia Wallisch folgenden Rat: 

Julia Wallisch: Auf sich zu hören, was sie wirklich machen möchten und was möglich ist. 

 

Moderation: Mit der Liebe zur Kunst haben wir diese Folge begonnen und damit enden wir auch. Wie lässt sich Inklusion künstlerisch darstellen? 

Julia Wallisch: Fällt mir jetzt einfach ein. So ein Brocken, also ein Brocken Stein, wo einfach alles zusammengefasst ist. Und so sehe ich einfach auch Inklusion, wo alle Menschen Teil sind und dazugehören und wichtig sind und niemand zurückgelassen wird

 

Moderation: Das war doch ein schönes Schlusswort. Die Links zu Femabilites, zur MVG und AED habe ich ihnen in die Shownotes zu dieser Folge gepackt. Dort finden Sie auch Informationen  zu Förderungen für Menschen mit Behinderung, die ein Unternehmen gründen wollen. Die Website von dabei-austria erreichen Sie unter dabei-austria.at Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, empfehlen Sie uns bitte weiter. Unseren Podcast gibt es auf allen gängigen Podcastplattformen, wie Spotify, Apple Podcast und Google Podcast zu hören. Wir würden uns auch über eine gute Bewertung freuen. Auf ein baldiges Wiederhören freut sich Sandra Knopp.