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Mehr als Glasur: Barrierefreie Webseiten haben Substanz

Episode Summary

Wir haben wir viele praktische Tipps: Wie kann man die eigene Website auf Barrierefreiheit testen? Was lässt sich oft schon mit kleinen Mitteln verbessern? Und wie gelingt das Ganze auf eine verständliche, kreative und lustvolle Weise – ganz ohne Technikstress?

Episode Notes

Am 15. Mai ist der Tag der digitalen Barrierefreiheit. Ein guter Anlass, um genauer hinzusehen: Wie zugänglich sind unsere Webseiten und Apps wirklich? Wer wird mitgedacht – und wer bleibt draußen? Zu Beginn wagen wir ein Gedankenexperiment: 

Stellen Sie sich einen saftigen Schokoladekuchen vor. Warm, aromatisch, mit extra viel Schokolade und einer Kugel Vanilleeis dazu. Riechen Sie ihn schon den Duft?  Spüren Sie, wie der erste Bissen auf der Zunge zergeht? So kann sich digitale Barrierefreiheit anfühlen, sagt  Susanne Buchner-Sabathy, Expertin für digitale Barrierefreiheit. 

Kürzlich wurde die NEBA-Website, betreut von dabei-austria, ausgezeichnet. Und zwar nach den aktuellen WCAG-Richtlinien auf dem Niveau Doppel A. Dafür gab es das Gütesiegel in Silber.In dieser Folge spreche ich mit Sigrid Gramlinger-Moser von der Agentur Webgras, die für die technische Umsetzung verantwortlich ist. Und mit Susanne Buchner-Sabathy, selbstständige Beraterin für digitale Barrierefreiheit. Es geht um den European Accessibility Act, über digitale Teilhabe – und darüber, wie man mit barrierefreier Gestaltung Sichtbarkeit, Nutzerfreundlichkeit und sogar Genuss steigern kann. Und wir haben wir viele praktische Tipps: Wie kann man die eigene Website auf Barrierefreiheit testen? Was lässt sich oft schon mit kleinen Mitteln verbessern? Und wie gelingt das Ganze auf eine verständliche, kreative und lustvolle Weise – ganz ohne Technikstress?

LINKS: 

 

Agentur Webgras: Joomla Agentur | erfolgreiche Webseiten individuell für Sie

Susanne Buchner-Sabathy: Susanne Buchner-Sabathy – Übersetzung und Barrierefreiheit

 

Infos der FFG zu den Themen Digitale Barrierefreiheit mit hilfreichen Ressourcen:  https://www.digitalbarrierefrei.at/de/
 

Wirtschaftskammer Österreich:  https://www.wko.at/charta-der-vielfalt/digitale-barrierefreiheit

 

Accessible Media: Home - accessible-media
 

Information zum Barrierefreiheitsgesetz und ein Abschnitt  „Checklist Die Umsetzung der Barrierefreiheit“ und auch „Nützliche Wordpress-Plugins“:  https://www.inconcepts.at/agentur/blog/barrierefreiheitsgesetz-pflicht-2025/
 

Aktion Mensch:  https://www.aktion-mensch.de/inklusion/barrierefreiheit/barrierefreie-website/wie-barrierefrei-ist-meine-website-test
 

WACA-Zertifikat | Checkliste: So ist die Webseite für alle nutzbar: https://www.aktion-mensch.de/inklusion/barrierefreiheit/barrierefreie-website/wie-barrierefrei-ist-meine-website-test
 

barrierefreies.design | Checkliste für barrierefreie Webseiten:  https://barrierefreies.design/werkzeuge/checkliste-fuer-barrierefreie-websites
 

Tools:

 PDF-Dokument mit Informationen zur Aktion „Barrierefreie Unternehmen“ des SMS: https://sozialministeriumservice.at/Downloads/individualfoerderung_barrierefreie_unternehmen_bundesweit.pdf

Foto: Sigrid Gramlinger Moser, Agentur webgras; Fotocredits: Caro Strasnik 

Episode Transcription

Herzlich Willkommen, sagt Sandra Knopp. Stellen Sie sich einen saftigen Schokoladekuchen vor. Warm, aromatisch, mit extra viel Schokolade und einer Kugel Vanilleeis dazu. Riechen Sie ihn schon den Duft?  Spüren Sie, wie der erste Bissen auf der Zunge zergeht? So kann sich digitale Barrierefreiheit anfühlen, sagt Expertin Susanne Buchner-Sabathy

Buchner-Sabathy: Wenn man ein Schokoladekuchen servieren möchte, einen wirklich guten, saftigen Schokoladekuchen, dann muss man die Schokoladen in den Teig geben. Ein Kuchen, der nur eine Schokoladeglasur hat, ist kein Schokoladekuchen. Und bei einem Schokoladenkuchen überlegt man sich ja auch nicht immer, wie wenig kann ich da eigentlich hineingeben, damit es noch ein Schokoladekuchen ist. Es reicht vielleicht ein Löffelchen Kakao? Das tut man nicht, sondern man gibt ordentlich Schokolade in den Teig und das ist dann ein sehr begehrter Kuchen und genauso ist es bei Webseiten und Apps mit der Barrierefreiheit. 

 

Kürzlich wurde die NEBA-Website, betreut vom Projektteam beim dabei-austria, ausgezeichnet. Und zwar nach den aktuellen WCAG-Richtlinien auf dem Niveau Doppel A. Dafür gab es das Gütesiegel in Silber.In dieser Folge spreche ich mit Sigrid Gramlinger-Moser von der Agentur Webgras, die für die technische Umsetzung verantwortlich ist. Und mit Susanne Buchner-Sabathy, selbstständige Beraterin für digitale Barrierefreiheit. Es geht um den European Accessibility Act, über digitale Teilhabe – und darüber, wie man mit barrierefreier Gestaltung Sichtbarkeit, Nutzerfreundlichkeit und sogar Genuss steigern kann. Und wir haben wir viele praktische Tipps: Wie kann man die eigene Website auf Barrierefreiheit testen? Was lässt sich oft schon mit kleinen Mitteln verbessern? Und wie gelingt das Ganze auf eine verständliche, kreative und lustvolle Weise – ganz ohne Technikstress?

Gramlinger: Ein erster Check, den man ganz schnell machen kann, ist, ob die Webseite mit der Tastatur bedienbar ist, zum Beispiel. Oder ob die Farbkontraste ausreichend sind, ob ich das gut lesen kann, ob ich Schriften größer und kleiner stellen kann. Ob Elemente zum Beispiel nicht nur durch die Farbe unterscheidbar sind, also dass ich nicht nur eine rote und eine grüne Fläche habe und kein Text steht, kein Symbol ist. Wenn ich farbenblind bin kann ich rot und grün nicht unterscheiden. Da muss zumindest ein Text dabeistehen oder ein Symbol, damit ich die unterscheiden kann. Aber das Erste, was ich meistens mache, kann ich mit der Tastatur durchtappen. 

 

Sigrid Gramlinger-Moser leitet dieDigitalagentur „webgras“ in Klosterneuburg. Die studierte Wirtschaftspädagogin hat sich 2004 selbstständig gemacht. Websiten erstellt sie mit dem Open-Source-Content-Management-System Joomla. 

Gramlinger: Sigrid Gramlinger: Also ich mache viel Technik und natürlich so Projektmanagement. Dann habe ich eine Webdesignerin, Grafikerin und auch für Content und eine Mitarbeiterin, die sich auch wirklich mit Umsetzung, auch Barrierefreiheit gut auskennt. Genau, so haben wir ein sehr starkes Frauenpower-Team

 

Die Agentur Webgras hat vor zwei Jahren die technische Betreuung der NEBA-Website übernommen. 2024 gab es einen Relaunch. 

Gramlinger: Also man muss dazusagen, die Webseite war vorher auch schon ganz gut barrierefrei, aber halt nicht komplett durch bis ins Detail. Wir haben eine sehr umfangreiche Funktion: Man kann nach Anbieterinnen und Anbieten suchen. Und da gibt es Flitterkriterien, zum Beispiel nach Bundesland oder Bezirken. Und es war eine Herausforderung, dass diese Filter gut bedienbar sind und auch barrierefrei bedienbar sind. Die Erweiterung, auf die wir zugreifen, war aber nicht komplett barrierefrei war. Daher mussten wir einiges mit JavaScript reparieren, damit es wirklich den Anforderungen auch für die WACA-Zertifizierung entspricht. 

 

Zur Zertifizierung kommen wir noch. Gehen wir zunächst auf die NEBA-Website und zwar auf neba.at [Atmo: tippen] Dann fällt sofort die oberste – in schwarz – unterlegte Menüleiste mit weißer Schrift auf: Dort lässt sich der Kontrast über zwei Symbole einstellen – ein Mond – und eine Sonne. Geht man mit der Maus drüber erscheint die Beschriftung – dunkler bzw. heller Kontrast. Außerdem lassen sich Schriftgröße, Sättigung und Skalierung einstellen, Links hervorheben und der Inhalt der Website vorlesen. 

Gramlinger: Uns war es wichtig, dass die Seite schön ist, also auch ansprechend ist, dass sie gut bedienbar ist, natürlich, dass die Inhalte an der richtigen Stelle sind, also dass es eine sinnvolle Bedienbarkeit auch gibt. Weil früher war es oft so, also vor einigen Jahren noch eine barrierefreie Webseite, die konnten nicht schön sein. Die sind irgendwie so ein bisschen starr, die sehen nicht gut bedienbar und mittlerweile mit modernen Technologien, mit Style Sheets und auch mit JavaScript kann man da einfach sehr viel vom Design dann auch so lösen, dass es auch tatsächlich barrierefrei ist. Und das war für uns als Agentur auch eine Herausforderung, weil ein paar Details, die wir dann nachher draufgekommen sind, die sind für den Sehenden User gut bedienbar und alles, aber dann zum Beispiel von mobilen Geräten muss man achten, oder auch mit der Tastaturbedienbarkeit oder auch mit dem Screenreader. Das passt noch nicht, da mussten wir dann wirklich auch noch nacharbeiten und das dann auch noch wirklich barrierefrei zu machen, dass das sauber umgesetzt ist. 

 

Barrierefreiheit ist also nicht in Stein gegossen, sondern entwickelt sich weiter. Wie bei jedem Prozess braucht es regelmäßige Updates. Das weiß auch Susanne Buchner-Szabathy, Expertin für digitale Barrierefreiheit. Eine klare Struktur ist für sie ein Muss auf dem Weg zur digitalen Barrierefreiheit. 

 

Buchner-Sabathy: Ganz wichtig ist der Begriff des Zwei-Sinne- oder Mehr-Sinneprinzips. Das heißt, Informationen müssen so vermittelt werden, dass sie für mehr als einen Sinn zugänglich sind. Also das betrifft jetzt mich als blinder Mensch, aber das betrifft grundsätzlich alle Menschen. Das heißt: Wenn du auf eine Website schaust und du findest ein Textstück, das ist größer als der restliche Text und es hat vielleicht eine andere Schriftfarbe, vielleicht einen anderen Schrift-Schnitt, dann weißt du aufgrund deiner Leserinnen-Erfahrung, das ist eine Überschrift. Und du überfliegst eine Website, eine App oder auch ein Papierdokument, liest nur die Überschriften und liest dann dort weiter, wo du die Information oder das Produkt, das du suchst, gerade vermutest. Und da ist es einfach wichtig, dass diese Information, dass das Überschrift ist, nicht nur grafisch markiert ist, sondern auch im Quellcode der Webseite oder in den Dokumentenstrukturen des PDFs verankert ist, dass Software, wie mein Screenreader, zum Beispiel, sie finden kann. 

 

Screenreader sind Programme, die den Inhalt einer Website widergeben. Susanne Buchner-Szabathy ist Sprachwissenschaftlerin und arbeitet als Übersetzerin. Außerdem unterstützt sie Institutionen und Organisationen ihre digitalen Angebote barrierefreier zu machen.  Für all jene, die checken wollen, wie übersichtlich ihre Website ist, hat sie folgenden Tipp: 

Buchner-Sabathy: Da kann man zum Beispiel in Firefox unter dem Menüpunkt Ansicht, das Layout wegschalten. Dann sieht man die Seite so ähnlich, wie ich sie mit Screenreader sehe und da sieht man dann auch, wie übersichtlich oder unübersichtlich das ist.

 

Weiters gibt es Analyse-Tools, wie beispielsweise WAVE bzw. Lighthouse, die Websites auf Barrierefreiheit analysieren. 

Buchner-Sabathy: Wenn man mal diese Tools einsetzt, dann wird man bestimmte Mängel feststellen und bestimmte Punkte, die gut gelöst sind. Der zweite Schritt ist dann, die Mängeln zu beheben. Und ein begleitender Schritt zu all dem ist eine Mitarbeiterinnen-Mitarbeiter-Sensibilisierung, sowohl im technischen Bereich, als auch im redaktionellen Bereich, weil auch eine Webseite, die die technischen Mittel zur Verfügung stellt, braucht bei der Befüllung mit Inhalten Menschen, die wissen, dass sie diese Mittel haben und wie sie sie verwenden sollen. Und meine Aufgaben derzeit liegen am stärksten in diesem dritten Bereich der Sensibilisierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Also ich mache oft Workshops einerseits mit Webentwicklern und Entwicklerinnen, andererseits auch mit Redaktionsteams, um sie dazu zu befähigen, mit geringem Aufwand und mit Freude Barrierefreiheit umzusetzen.

 

 

Bei Bildbeschriftungen unterscheiden die beiden Expertinnen zwischen Bildern mit und Informationswert. Eine Bild, das die Website optisch verschönert, muss nicht unbedingt im ALT-Text beschrieben sein. Anders bei Produkten oder einem Sucheingabefeld, wie einer Lupe. Diese sollte mit Suche beschriftet sein. Eine Modeerscheinung sind Karusselle. Das ist ein interaktives Anzeigeelement auf einer Website, das Bilder oder Videos rotierend bzw. durch Nutzerinteraktion nacheinander zeigt. Auch hier muss auf mehreren Ebenen mitgedacht werden, sagt Sigrid Gramlinger-Moser. 

Gramlinger: Also, wenn ich Inhalte damit transportieren möchte oder das wichtig ist, damit ich verstehe, um was es auf der Webseite geht, würde ich die auf jeden Fall beschreiben. Bei den Karussellen ist aber ein anderer wichtiger Punkt, wenn die zum Beispiel von alleine starten, dann muss ich auf jeden fall eine Möglichkeit anbieten, das auch zu stoppen oder selbst zu steuern. Weil manche Menschen mit Bewegungen auf Webseiten schwer umgehen können, können das nicht gut verarbeiten und dann müssen die das stoppen können, dass da nicht dann oben ständig das Karussell weiter läuft, zum Beispiel. 

 

Gemäß dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG), dem Web-Zugänglichkeitsgesetz sowie dem E-Government-Gesetz müssen Websites und mobile Anwendungen öffentlicher Stellen barrierefrei zugänglich sein – einschließlich aller dort angebotenen PDFs und anderer Dokumente. 

Gramlinger: Das heißt, dass auch ein PDF mit einem Screenreader zum Beispiel vorgelesen werden kann und da sind zum Beispiel in PDFs aber auch auf Webseiten ist die Überschriftenstruktur sehr wichtig, weil gerade mit Screenreaders oder mit dem Tabulator man sich einen schnellen Überblick über eine Seite verschaffen kann. Und wenn ich hier eine saubere Überschriftenstruktur habe, dann hilft es einfach enorm, die Seite zu navigieren und einen Überblick zu machen.

 

Es gibt auch Tools, um PDFs auf Barrierefreiheit zu checken, zum Beispiel PAVE. Die Links stellen wir Ihnen in die Shownotes. Susanne Buchner-Sabathy hat einen weiteren Tipp: 

Gramlinger: Das heißt, Color-Contrast-Analyzer, das ist ein Tool, das lädt man sich herunter und das kann man dann auf alle Desktop-Anwendungen anwenden, also auch auf PDF- Dokumente und auf Webseiten und ja, auf alles. Das heißt, es sind nützliche, unterstützende Tools, aber alle diese Tools reichen für sich nicht aus. Also in allen Fällen braucht es zusätzlich menschliche Intelligenz und menschliches Verständnis, um die Ergebnisse richtig interpretieren zu können.

 

Hinter vielen dieser Tools steckt KI und sie entwickeln sich weiter. Doch noch gibt es einige Bugs, erklär die Expertin. 

Buchner-Sabathy: Wovor ich derzeit warne, sind sogenannte Accessibility Overlays oder Accessibility Plugins. Das sind Tools, die werden angeboten, sodass man sie auf der Webseite installieren kann, mit dem Versprechen oder mit der Produktbeschreibung. Dass diese Tools die Barrierefreiheit der Websites entscheidend verbessern. Und das ist natürlich für Unternehmen attraktiv. Ja, wenn einem gesagt wird, da gibt es eine ganz einfache Lösung. Installiert euch das einfach und dann braucht ihr euch um das Thema Barrierenfreiheit nicht mehr wirklich zu kümmern. Aber derzeit funktioniert es nicht. Also die bestehenden Probleme auf einer Website werden im Normalfall nicht gelöst durch KI. Und was noch schlimmer ist, ich habe immer wieder beobachtet, dass solche Tools neue Schwierigkeiten hineinbringen, also solche, die eigentlich nicht da gewesen wären, wenn man die Webseite ohne dieses Tool nutzt.

 

Ab 28. Juni tritt der European Accessibilty-Act in der ganzen EU in Kraft. Er verpflichtet private Unternehmen, bestimmte Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten – darunter Websites, Apps, E-Books, Online-Shops, Bankdienstleistungen, Ticketautomaten und Selbstbedienungsterminals. Sigrid Gramlinger-Moser erhofft sich dadurch neuen Schwung für digitale Barrierefreiheit: 

Buchner-Sabathy: Ich finde es extrem wichtig, einfach auch für das Wiederbewusstsein zu schaffen. Also ich denke, damals bei der Datenschutz-Grundverordnung, das war auch so eine Pflichtveranstaltung, wo alle ihr sindig nervös geworden sind, und im Endeffekt hat es uns allen was gebracht. Also ich glaube einfach, was mir zum Datenschutze geht. Und ich hoffe, dass das bei dem Barrierefreiheitsgesetz jetzt dann auch so sein wird, dass einfach das Bewusstsein höher ist und einfach für noch mehr Menschen möglich sein wird Webseiten noch besser zu bedienen. Also ich glaub, das darf man nicht aus dem Fokus verlieren und in Wirklichkeit bringt es allen etwas. Als Webseitenbetreiber oder Betreiberin natürlich, dass ich mehr Menschen ansprechen kann und die Menschen, die die Webseite bedienen, einfach noch besser auf mehr Information zugreifen zu können. 

 

Der European Accessibility Act umfasst Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als zwei Millionen €. 

Buchner-Sabathy: Also extrem viel und extrem schnell tut sich, glaube ich, nie etwas, wenn es um Veränderungen geht. Aber ich glaube schon, dass das Bewusstsein steigen wird. Das haben wir auch gesehen bei der Web Accessibility-Richtlinie der EU und bei deren Umsetzung in die nationalen Gesetzgebungen. Also in Österreich ist das das Web-Zugänglichkeitsgesetz. Da haben wir schon gesehen. Dass sich von Bewusstsein her, von Sensibilisierung her etwas ändert. Das Webzugänglichkeitsgesetz bezieht sich ja nur auf die öffentliche Verwaltung. Das Barrierefreiheitsgesetz betrifft jetzt auch private Unternehmen, private Dienstleister. Und ich bin mir sicher, dass da so einfach ein Diskussionsprozess, ein Prozess des Nachdenkens in Gang kommen wird. Und, das ist, finde ich, das Wichtigste, damit das Unternehmen Erfahrungen machen mit den Maßnahmen, die zur Barrierefreiheit führen, werden sie auch feststellen, dass die Benutzerfreundlichkeit steigt, dass Nutzer und Nutzerinnen, die Konsumenten und Konsumentinnen zufriedener sind und auch, dass sie bemerken werden, dass das einen Einfluss auf ihren Markenwert hat, dass ihr Image steigern wird.

 

Die aktuellen Richtlinien für barrierefreie Websiten sind die sogenannten Web Accessibility-Guidelines, in der Version 2.2. Der internationale Standard gibt vier Richtlinien vor: 

Gramlinger: Also Wahrnehmbarkeit heißt jetzt, dass auf einer Webseite, dass eben Text als Text ist oder dass auch Farbkontraste ausreichend sind. Also einfach, dass ich die Inhalte auf der Webseiten wahrnehmen kann, wenn zum Beispiel ich einen Sinn nicht zur Verfügung habe, ich zum Beispiel nicht hören kann oder nicht sehen kann, dass alle Inhalten auf der Website trotzdem wahrnehmbar sind. Der zweite Teil, die Bedienbarkeit, heißt eben, dass ich mit verschiedenen Geräten die Webseite bedienen können muss. Also wir haben schon gesprochen über die Tastaturbedienbarheit, natürlich mit der Maus, aber auch auf verschiedenen Gerät. Also auf einem Laptop, auf einem PC oder auf einem mobilen Gerät oder eben auch mit assistiven Technologien wie einem Screenreader. Und dann haben wir die Verständlichkeit. Da geht es dann natürlich einfach auch um Text. Also es gibt auch leichte Sprache, eine einfache Sprache. Aber auch, dass die Navigation... Sinnvoll ist, also dass die nicht auf jeder Seite, der Menüpunkt Kontakt heißt da einmal anrufen, einmal Kontakt, einmal irgendwie anders, keine Ahnung, also, dass das konsistent ist, dass sich das durchzieht. Und die Robustheit heißt dann auch noch, dass es auf den verschiedenen Geräten funktioniert oder zum Beispiel auch im Hochformat und Querformat. 

 

Die NEBA-Website wurde im Frühjahr mit dem WACA-Zertifikat in Silber ausgezeichnet. Eine Barrierefreiheitserklärung auf der Website gibt Auskunft über den aktuellen Stand der Dinge. Eine solche Erklärung schreiben das Webzugänglichkeits- und das Barrierefreiheitsgesetz vor. Um aktuelle Informationen anbieten zu können, sollten Webseiten einmal jährlich auf ihre Barrierefreiheit überprüft werden. 

Buchner-Sabathy: Mein persönlicher Ansatz, und das ist auch das, was ich in die Unternehmen hineintrage, ist das Barrierefreiheit ein Prozess ist. Und dass es sozusagen keinen Punkt gibt, wo man sagt, okay, juhu, jetzt haben wir das erreicht, sondern es ist etwas, was man jeden Tag weitertragen muss. Denn eine Webseite, die gestern perfekt barrierefrei war, da kann ich heute als Technikerin ganz leicht ein neues Feature einführen und die Webseiten ist wieder schlecht oder gar nicht bedienbar. Das heißt, es ist wirklich etwas, das man in die Unternehmensgruppur hineintragen muss und wo man Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen befähigen muss, also mit Kompetenzen, mit Wissen, mit Bewusstsein ausstatten muss. Und das, glaube ich, ist die entscheidende Investition. Ich glaube nicht, also die Erstellung einer barrierefreien App-Site an sich ist ja nicht teurer als die einer nicht-barriere-freien-App-Sites, aber natürlich in die Kompetenz der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu investieren, kostet Geld, ist aber eine Investition, die sich tatsächlich rentiert für Unternehmen und auch für webagenturen. 

 

Sie empfiehlt Unternehmern und Unternehmerinnen digitale Barrierefreiheit als essenziellen Teil ihres Geschäfts zu sehen, und nicht als zusätzlichen Aufwand. 

Buchner-Sabathy: Aber das, was wirklich sinnvoll ist, ist eben, dass man das einfließen lässt in die Unternehmenskultur, genauso wie man sich nicht nur einmal im Jahr Gedanken über das Marketing macht. Oder über Strategien oder über Produktentwicklungen, so sollte das einfach etwas sein, was ständig präsent ist und was selbstverständlich präsent ist und wo man dann nicht das Gefühl hat, oh je, das ist jetzt so was mühsames, zusätzliches, das müssen wir jetzt da noch denken. Sondern das sollte wirklich etwas sein was in die Unternehmenskultur und in die Entwicklung der Dienstleistung und Produkte ständig einfließt.

 

Wer bei der Entwicklung auf die Perspektive von Menschen mit Behinderung setzt, kann sich viel Aufwand im Nachhinein sparen, ist Suzanne Buchner-Szabathy überzeugt. Auch Sigid Gramlinger-Moser von der Webagentur „webgras“ spricht mit Unternehmern und Unternehmerinnen, wie digitale Barrierefreiheit aussieht und wie sie auch davon profitieren.

Gramlinger: Nur es zu tun, weil es gesetzlich notwendig ist, finde ich immer sehr schade, weil man damit ja auch mehr Menschen erreicht. Weltweit oder auch in Österreich sind es in etwa 20 Prozent der Bevölkerung, die eine Einschränkung in irgendeiner Form haben. Das sind natürlich chronischer Erkrankungen, das sind natürlich Beeinträchtigungen, Behinderungen, aber auch temporäre Behinderung, ein Gipsarm zum Beispiel. Oder wenn man eine Augenoperation gehabt hat. Oder wenn gerade im Sonnenlicht steht mit einem mobilen Gerät und der Textkontrast so schlecht ist, dann kann ich die Webseite auch nicht lesen und bedienen. Also das sind alles Faktoren, die da rein spielen. Und wenn man das erklärt, dann sind Menschen, die kommen mit den Fragen schon einmal irgendwie und dann geht es ihm darum zu erklären, ok. Ganz konkret auf der Webseite ein paar schnelle Tests und Checks zu machen, eben z.B. Mit der Tastatur zu schauen, passt die Überschriftenstruktur, kann ich die Seite vergrößern und verkleinern, haben die Links einen entsprechenden Namen, also verstehe ich, um was es auf der Webseiten geht, das sind so die ersten Erklärungen. 

 

Außerdem erleichtern strukturierte Webseiten die Auffindbarkeit im word wide web.

Gramlinger: Genau, also das war auch ein Grund, warum wir immer schon bei Webseiten auf barrierefreit geachtet haben. Weil, wenn eine Webseite barrierenfrei ist, ist sie auch gleichzeitig für Suchmaschinen optimiert. Weil Google oder andere Suchmaschine, die Webseit ja auch den Code lesen der Webseiter. Und wenn ich einen sauberen Code habe, dann kann ein Screen reader die Web-Seite lesen, aber natürlich auch Google. Wenn ich eine saubere Überschriftenstruktur habe, dann kann Google auch schnell erfassen, was es auf der Web-Site gibt. Wenn der Seitentitel sprechend ist und ich sofort weiß, worum es geht, dann wird es in den Suchergebnissen auch gut angezeigt. Also damit habe ich im Prinzip auch zwei Fliegen in einer Klappe, dass eine barrierefreie Webseite auch für Suchmaschinen.

 

Wer sich nun dafür interessiert seine Website barrierefreier zu machen: Es gibt Checklisten, aber, wie spezialisierte Digitalagenturen, ExpertInnennetzwerke und Plattformen, wie Acessible Media. Wie aufwendig die Umgestaltung ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. 

Gramlinger: Das kommt darauf an, also wenn man sich bei einer bestehenden Website bisher schon an Standards gehalten hat, wenn man einen korrekten HTML-Code hat im Hintergrund, wenn man eben Text als Text hat und nicht im Bildern, dann ist der Aufwand normalerweise nicht so groß. Dann muss man das mal prüfen, vielleicht bei ein bisschen Nacharbeiten, Bildtexte hinzufügen, einen Text anders strukturieren, vielleicht ein bisschen die Farbkontraste erhöhen. Das geht dann, aber wenn es um größere Funktionen geht oder einfach die Struktur gar nicht. Dann muss man am besten eigentlich von neu anfangen und normalerweise zumindest das Template neu gestalten, weil die Basis von den meisten Website-Systemen können barrierefreiheit darstellen. Es geht dann oft um das einfach das Frontend, das Design, die Programmierung, HTML-Code, CSS-Cod, das der richtig gestaltet. 

 

Es gibt keine direkte Barrierefreiheitsförderung, aber KMUs können bestehende Digitalförderungen dafür nutzen. 

Gramlinger: Man muss zumindest eine kleine Beratungsförderung machen, so eine Status- oder Potentialanalyse. Das sind ganz konkret 500 Euro netto, die mit 80 Prozent gefördert sind. Und dann kann ich eine Umsetzungsförderung beantragten. Und die Umsetzung Förderungen, das sind für Projekte ab 3000 Euro, die mit 30% gefördert sind. Da kann ich sehr wohl dann auch meine Webseite barrierefrei machen und eben das zu einem Teil gefördert bekommen. 

 

Künstliche Intelligenz ist im barrierefreien Web angekommen, sind beide Expertinnen überzeugt – etwa in Bezug auf Textgenerierung und Interpretation von Bildern. Was raten sie Unternehmen, die erste Schritte in Richtung digitale Barrierefreiheit gehen wollen? 

Gramlinger_Ende (34  Sek)Sich zu informieren. Einfach was heißt das jetzt und einfach die eigene Webseite mal versuchen mit der Tastatur zu bedienen, auf verschiedenen Geräten zu bedienen, schauen ob das alles gut funktioniert und auch Kontakt zu Menschen suchen, die darauf angewiesen sind oder die vielleicht nicht mehr so gut sehen und schauen ob die auch die Webseiten bedienen können. Ich denke, dann kriegt man schon ein Gespür dafür, muss ich was tun oder nicht und dann sich einfach jemanden zu holen, mit dem Webseitbetreuer und Betreuerin zu sprechen oder halt extern die Seite wirklich auch extern zu evaluieren lassen. Weil man da noch mehr Information rauskriegt und davon auch lernen und dann natürlich die Umsetzung starten kann. 

 

Susanne Buchner-Szabathy rät sich vom Begriff „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ zu distanzieren. 

Buchner-Sabathy: Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass jeder Mensch Inhalte wahrnehmen kann, lesen kann. Bedienen kann und verstehen kann. Das sind eigentlich so sehr grundlegende Bedürfnisse und mich stört das auch immer, wenn dann von speziellen Bedürfenissen von Menschen mit Behinderungen die Rede ist, denn ich glaube, dass wir alle dieselben Bedürftnisse haben, einen Webshop besuchen zu können, ihn auffinden zu können und ihn nutzen zu können. Dort Informationen über Produkte zu finden und dann einen Kaufprozess durchführen zu können Ich glaube, das sind gemeinsame Bedürfnisse. Wie wir das machen, ob man das mit dem Haus macht oder mit der Tastatur oder mit dem Screenreader-Programm oder mit einem Vergrößerungsprogramm oder mit anderem assistiven Software am Handy oder am iPad oder am Laptop. Es ist alles verschieden. Die Wege dorthin sind verschiedene, die Methoden sind verschieden, aber die Bedürfnisse sind die gleichen. Und digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass man all diese Wege beschreiten kann, dass das alles normal ist. Mit oder ohne Screenreader, mit oder ohne Maus, ist alles normal. Und es ist alles möglich, das heißt, die Webseite ist in jedem Fall besuchbar und auslesbar.

 

Sie wünscht sich abschließend: 

Buchner-Sabathy: Dass die Unternehmen die Erfahrung machen, dass das jetzt keine ungebührliche zusätzliche Belastung ist, sondern dass es in sehr vielen Fällen etwas ist, was mit relativ einfachen Mitteln und mit gar nicht so viel Geld umsetzbar ist, was aber gleichzeitig die Sichtbarkeit, das Image und die Reichweite von Unternehmen erweitert und verbessert. Ich würde mir wünschen, dass digitale Barrierefreiheit als Chance gesehen wird und nicht als eine lästige Verpflichtung.

 

Digitale Barrierefreiheit ist also wie hochwertige Schokolade: Anfangs denkt man, sie sei teuer oder aufwendig. Doch einmal probiert, erkennt man den Mehrwert – für alle. Sie ist kein Luxus, sondern ein Qualitätsmerkmal, das Produkte besser und zugänglicher macht. Das war „Dabei sein im Arbeitsleben – Chancen für alle“. Den Podcast gibt es auf allen gängigen Podcastplattformen.  Wenn Ihnen die Folge gefallen hat, empfehlen Sie den Podcast gerne weiter – an Freund:innen, Kolleg:innen und alle, denen Inklusion am Herzen liegt.
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Auf Wiederhören – bis zum nächsten Mal, sagt Sandra Knopp.