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ÖZIV-Support-Beratung: Mit Mut, Rat und Tat

Episode Summary

Seit Jänner 2023 gibt es Beratungsangebot von ÖZIV-Support- nach einer dreijährigen Pilotphase in drei Bundesländern in ganz Österreich. Bei den Beratungen werden behinderungsrelevante Themen besprochen: Was bedeutet ein Feststellbescheid und was ein Behindertenpass? Es kann aber auch um Entlastung in schwierigen Lebenslagen gehen. Wie im Coaching, das es seit mehr als 20 Jahren gibt, liegt der Fokus auf Hilfe zur Selbsthilfe.

Episode Notes

Gemeinsam an sich arbeiten – ist das passende Stichwort für diese Podcastfolge. Und Mutmacherin ist eine schöne Bezeichnung für meine heutige Gesprächspartnerin Susanna Sitzenstäter. Denn sowohl in Coaching als auch in Beratungsgesprächen ermutigt die Wienerin Menschen mit Behinderung und/oder chronischer Erkrankung ihre Ressourcen zu entdecken. Seit Anfang 2023 gibt es das neue Beratungsangebot von ÖZIV-Support zu behinderungsrelevanten Anliegen erstmals in ganz Österreich. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es zwischen Coaching und Beratung gibt und was diese Angebote bewirken, darüber spreche ich mit Susanna Sitzenstäter, sie ist die operative Leiterin von ÖZIV-Support Wien und mit Gernot Reinthaler, er ist ÖZIV-Geschäftsführer und im dabei-austria Vorstand. 

 

ÖZIV - Bundesverband für Menschen mit Behinderungen (oeziv.org)

SUPPORT Coaching (oeziv.org)

ÖZIV SUPPORT Beratung (oeziv.org)

dabei-austria.at 

 

Episode Transcription

#Jingle# Herzlich Willkommen, sagt Sandra Knopp. In unserem Podcast spreche mit Menschen, die dabei sind, einen Job zu suchen und mit jenen, die sie auf diesem Wege unterstützen. Heute bin ich zu Besuch beim Team von ÖZIV-Support in Wien-Simmering. 

#Teaser#  Susanna Sitzenstäter: Der große Unterschied ist, dass wir in der Beratung ganz konkrete Informationen weitergeben. Währenddessen wir im Coaching – als Co-Pilot mit unseren Klienten und Klientinnen unterwegs sind und gemeinsam mit ihnen Wege finden, um die Lösungen, die für unsere Klienten und Klientinnen passen sichtbar zu machen. 

 

Moderation: Gemeinsam an sich arbeiten – ist das passende Stichwort für diese Podcastfolge. Mutmacherin ist eine schöne Bezeichnung für meine heutige Gesprächspartnerin Susanna Sitzenstäter. Denn sowohl in Coaching als auch in Beratungsgesprächen ermutigt die Wienerin Menschen mit Behinderung und/oder chronischer Erkrankung ihre Ressourcen zu entdecken. Seit Anfang 2023 gibt es das neue Beratungsangebot von ÖZIV-Support zu behinderungsrelevanten Anliegen erstmals in ganz Österreich. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es zwischen Coaching und Beratung gibt und was diese Angebote bewirken, darüber spreche ich mit Susanna Sitzenstäter, sie ist die operative Leiterin von ÖZIV-Support Wien und mit Gernot Reinthaler, er ist ÖZIV-Geschäftsführer und im dabei-austria Vorstand. 

gelesen von Udo Seelhofer: #Zitat# „Der beste Weg ein Problem vergessen zu können, ist etwas daraus zu lernen“ – wusste schon der britische Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur Sir Peter Ustinov. 

Sandra:  Das Leben ist wie eine Schachtel-Pralinen, man weiß nie, was man kriegt. Sagte Tom Hanks als Forrest Gump. 

Moderation: Ich starte die heutige Episode mit einem Zitat aus der Filmwelt. Das hat damit zu tun, dass meine Gesprächspartnerin Susanna Sitzenstäter schon von Kleinauf Begeisterung für „laufende“ Bilder zeigte. Bilder, die sie später auf die Leinwand projizierte. 

Susanna Sitzenstäter:  Ich habe bereits mit 6 Jahren meine Eltern damit genervt, ich will zum Film. Meine Eltern konnten sich damals auch nicht erklären, woher diese Liebe kam, weil wir keine näheren Verhältnisse zu diesem Bereich hatten. Was ich allerdings schon als kleines Kind hatte: Ich habe wahnsinnig gern Filmszenen nachgespielt oder auch erfunden.  Diese Idee Bilder, die im Kopf sind - irgendwie auf die Erde zu bringen: Das hat mir als Kind schon wahnsinnigen Spaß gemacht. 

Moderation: Nach der Matura rief die gebürtige Wienerin eine Filmproduktion nach der anderen an. Bei einer kleinen Produktionsfirma erlernte sie das Handwerk von der Pike auf und konnte in der Film- und Videobranche Fuß fassen. Susanna Sitzenstäters große Liebe gehörte den Dokumentarfilmen. Doch mit Anfang 30 bemerkte sie, dass sich etwas verändert hatte. 

Susanna Sitzenstäter: Nach gut 15 Jahren in der Filmbranche habe ich festgestellt: Jetzt hätte ich alles gemacht, was ich spannend gefunden hatte, und hatte nicht mehr so die Idee: wie könnte es nun weitergehen. Mehr von demselben wollte ich nicht und um neue Eindrücke zu gewinnen hätte ich wohl Österreich verlassen müssen. Das wollte ich zu dem Zeitpunkt aber auch nicht. Irgendwann war die Erkenntnis da, ich werde in diesem Beruf nicht in Pension gehen. Sandra Knopp: Wie geht es da einem, wenn man lange einen Traum gelebt hat. Das gemacht hat, was man sich als Kind gewünscht hat. Wie schwer ist es auch sich von so einem Traum zu verabschieden? Susanna: Sich von dem Traum zu verabschieden ist mir gar nicht so schwergefallen, was wirklich die Herausforderung war: wie geht es weiter? Weil einen Plan B hatte ich nie. Und diesen Plan B beziehungsweise überhaupt einmal herauszufinden, was könnte es stattdessen sein war ein Prozess, der über mehrere Jahre gedauert hat. 

Moderation: Einige Jahre arbeite sie in artverwandten Branchen, um festzustellen: Nein! Das ist es auch nicht! Die Suche nach dem passenden beruflichen Umfeld wirkte sich gesundheitlich aus. 

Susanna Sitzenstäter: Ich habe damals tatsächlich kennengelernt, was es bedeutet psychosomatische Auswirkungen zu spüren. Ich habe damals kennengelernt in welches Loch jemand fallen kann, wenn, dass was bis zu diesem Zeitpunkt gepasst hat, plötzlich nicht mehr passt. Ich habe damals das große Glück gehabt – einen Menschen, um mich zu haben, der mir hilfreich sein konnte und mir Ideen geben konnte, auf die ich alleine nicht gekommen wäre. 

Moderation: Ein Freund empfahl ihr eine Coaching-Ausbildung zu machen. Eine solche absolvierte sie von 2003 bis 2005. „Wer bin ich?“ „Was treibt mich an?“ „Was ist meine Motivation“ waren Fragen, mit denen sich Susanna Sitzenstäter auseinandersetze. Als Coach zu arbeiten, daran dachte sie anfangs nicht. Aber sie entdeckte eine Stärke: Gut mit Menschen arbeiten zu können. 

gelesen von Udo Seelhofer: #Coaching# „Menschen dort abholen, wo sie stehen. Und auf Augenhöhe miteinander sprechen. 

Moderation: Kennen Sie den Unterschied zwischen Coaching und Beratung? Im alltäglichen Sprachgebrauch werden diese beiden Begriffe oft gleichgesetzt. Dabei lohnt es sich die Unterschiede herauszuarbeiten. 

Susanna Sitzenstäter:  Wir für uns differenzieren zwischen Beratung und Coaching: in den Bereichen, dass wir als Coaches der Überzeugung sind, dass unsere Klienten und Klientinnen ihre Lösungsansätze bereits in sich tragen. Nur im Moment keinen Zugang dazu haben. Das heißt wir Coaches unterstützen und begleiten unsere Klienten und Klientinnen in einem Prozess, in dem sie zu ihren im Moment passenden Lösungen zu unterschiedlichen Anliegen kommen.

Moderation: Das Coaching-Programm von ÖZIV-Support gibt es seit mehr als 20 Jahren. Neu ist das Beratungsangebot zu behindertenrelevanten Fragestellungen: Dieses Programm wurde zuerst in drei Bundesländern getestet und seit Anfang 2023 österreichweit ausgerollt. In die Beratung kommen Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung, die eine fachliche Auskunft benötigen und wissen wollen, was passiert, wenn man den Grad der Behinderung amtlich feststellen lässt. Susanna Sitzenstäter nennt weitere Beispiele: 

Susanna Sitzenstäter: Es kommen Menschen zu uns, die Fragen haben zu erhöhter Kinderbeihilfe, zu Pflegegeld. Menschen kommen in die Beratung zu Bildungsangeboten.

Moderation: Die Beratungsgespräche  können sich aber auch um Entlastung in schwierigen Lebenslagen drehen, erklärt ÖZIV-Geschäftsführer Gernot Reinthaler. 

Gernot Reinthaler: Das ist uns deshalb vor allem wichtig, weil wir in den Jahren davor immer stärker bemerkt haben, dass Menschen mit multiplen Problemlagen zu uns kommen und hier die bestehenden Unterstützungsangebote eigentlich nicht voll greifen können – weil Menschen damit befasst sind, ihre Existenz zu sichern. Wenn man mit Existenzängsten durchs Leben geht, tut man sich auf der anderen Seite sehr schwer damit den Kopf frei zu haben, sich am Arbeitsmarkt neu zu orientieren und sich darum zu bemühen einen neuen Arbeitsplatz zu finden.

Moderation: Das Beratungsangebot ist für die Betroffenen kostenlos und wird vom Sozialministeriumservice finanziert. Die Zielgruppe ist divers. 

Gernot Reinthaler:  Wir haben es hier mit Menschen zu tun, die langanhaltende gesundheitliche Probleme haben oder mit einer Behinderung schon seit längerer Zeit oder auch seit kürzerem konfrontiert sind. Es ist sehr, sehr vielfältig und wir haben hier als einzige Voraussetzung für die Beratung, dass hier ein fachärztlicher Bescheid bzw. eine Bescheinigung vorhanden ist, dass es bei der Person eine längerfristige gesundheitliche Beeinträchtigung oder Behinderung gibt. Auf der Basis beginnen wir dann mit einem Beratungsprozess. 

Moderation: Dieser kann kurz sein, wenn es um die Lösung eines konkreten Problems geht. Andere Probleme ziehen sich quer durch den gesamten Lebensbereich und es kann Wochen oder Monate dauern, bis die Menschen zu dem Punkt kommen, an dem sie sagen:   

Gernot Reinthaler:  Dass wir den nächsten Schritt machen können, der in Richtung andocken an das Unterstützungsnetzwerk geht, in Richtung Arbeitsmarktintegration, wo man dann auch andere Angebote, wie beispielsweise die Arbeitsassistenz mit ihrem Vermittlungsauftrag ins Spiel bringen können. Oder unser eigenes Coaching-Angebot, wo es um persönlichkeitsstärkende Maßnahmen geht. Das stehen dann viele Türen offen. 

Moderation: Wie so ein Beratungsprozess ablaufen kann, zeigt ein anonymisierter Fall aus dem ÖZIV-Magazin „Inklusiv“ aus dem Frühjahr 2023. 

gelesen von Udo Seelhofer: Der Klient hat von Geburt an eine schwere Gehbehinderung. Bei den Erstgesprächen stellt sich heraus, dass die vielen Operationen, um den Fuß zu stabilisieren, ein schweres Trauma hinterlassen hatten. Zusätzlich hatte der Klient eine Sprachentwicklungsstörung und nur wenig Vertrauen in seine Fähigkeiten. In der Beratung wurde zunächst an Grundthematiken gearbeitet: an Unterstützung in einer schwierigen familiären Situation und Beratung beim Ausbildungs- und Berufswunsch. Außerdem wurden ein Kommunikationstraining angeregt und passende Therapieangebote gesucht. Die familiären Problematiken konnten weitgehend geklärt werden, auch das Kommunikationstraining zeigte seine Wirkung: Der Klient fühlte sich psychisch und psychisch besser und fand eine Ausbildung zum IT-Experten. Zusätzlich nahm er das Coaching-Angebot in Anspruch, um an seinen persönlichen Fertigkeiten zu arbeiten. 

Moderation: Dass Menschen von der Beratung ins Coaching wechseln, passiert oft. Susanna Sitzenstäter erinnert sich an eine Frau aus der Beratung, die sich zunächst davor scheute, einen Antrag alleine auszufüllen.

Susanna Sitzenstäter: Weil sie Angst hatte Fehler zu machen. Und wir haben das dann gemeinsam gemacht, weil ich gesehen habe, das macht keinen Sinn, es stresst sie extrem, wenn ich ihr jetzt sag: füllen Sie das aus und machen sie das weiter. Wir haben dann auch die nötigen Unterlagen gemeinsam kopiert. Aufs Postamt, das hat sie dann alleine gemacht. Diese Klientin kam dann mit weiteren behindertenrelevanten Fragen zu mir und im Zuge dieser Beratung hatte ich dann die Fantasie, dass diese Unsicherheit die Klientin extrem stresst.

Moderation: An Möglichkeiten zu arbeiten diese Unsicherheit zu bekämpfen, darum ging es im Coaching. 

Susanna Sitzenstäter:  Wir haben während der Abklärung der körperlichen Einschränkungen und deren Auswirkungen vor allem an der Stabilisierung gearbeitet. Das konkrete Ziel war wieder stabiler im Leben stehen zu können. Und diese Klientin kam im letzten Jahr wieder mit einem anderen Beratungsthema, ein halbes Jahr später mit einem anderen Coaching-Thema. Mittlerweile verhandelt sie selbstständig mit Ämtern und Gerichten. Diese Stabilisierung hat funktioniert, das war nicht alleine mein Verdienst.  Die Klientin ist auch in therapeutische Begleitung gegangen und hat enorm viel auf die Beine gestellt. Das Erleben, dass sie auch in formalen Belangen viel besser ist als sie sich selber zugetraut hat, das gab ihr Schritt für Schritt Selbstsicherheit. 

Moderation: Mittlerweile kontaktiert die Klientin Susanna Sitzenstäter und erzählt ihr, was sie bewerkstelligt hat.  Zum Coaching findet Sitzenstäter wieder ein Bild: Den Zwiebellook. Zunächst ist der Fokus stark eingeengt. Schicht für Schicht legen die Klienten und Klientinnen die Unsicherheit ab und sehen ihre Fähigkeiten und Erfolge wieder. Oft geht es auch darum Mut zu bekommen, etwas Neues zu probieren. Coaching und Beratung beschreibt die gebürtige Wienerin generell als zwei „verschiedene Hüte“. Um sich den jeweils richtigen aufzusetzen, plant Susanna Sitzenstäter ausreichend Zeit zwischen den Terminen ein. Auch das Setting ist entscheidend. 

Susanna Sitzenstäter: So setze ich mich zum Beispiel bei einem Beratungsprozess, woanders hin als bei einem Coachingprozess, wobei es sehr witzig ist, weil meine Klienten und Klientinnen wenn sie den Büroraum betreten sowieso die Möglichkeit haben sich einen Platz auszusuchen. Ich platziere mich dementsprechend. Ich habe die Erfahrung gemacht unseren Klientinnen ist es völlig wurscht, ob sie beraten werden oder gecoacht werden, die wollen eine Verbesserung, eine Veränderu  ng. Für mich persönlich ist es wichtig die Differenzierung klar zu haben: weil in der Beratung habe ich Lösungsideen: im Coaching habe ich keine Lösungsideen und sollten sie auftauchen halte ich das so wie ich das gelernt habe: hast du eine Lösung im Kopf, nimm ein Aspirin und warte bis es vorbei ist. Weil wir beim Coaching davon ausgehen, dass unsere Klienten und Klientinnen, die Lösungsidee in sich tragen. 

Moderation: Bei allen Unterschieden zwischen Coaching und Beratung gibt es auch Gemeinsamkeiten: Es handelt sich um Prozesse, bei denen die Anliegen eines Menschen im Fokus stehen. Und bei denen Schritt für Schritt nach Lösungen gesucht wird. 

Susanna Sitzenstäter: Diese Offenheit sich einmal anzuhören, ohne zu bewerten und zu schauen: was tue ich damit. Beide Projekte haben noch gemeinsam, dass wir sehr großen Wert auf empowerment legen – Hilfe zur Selbsthilfe.

 

Udo: Probleme sind Lösungen in Arbeitskleidern. Menschen dort abholen, wo sie stehen. Wichtig ist   Beratung auf Augenhöhe! 

Moderation: Susanna Sitzenstäter war lange selbstständig und unter anderem als Trainerin in der Erwachsenenbildung tätig. Außerdem hat sie 2018 eine traumatherapeutische Beratungsausbildung gemacht. Seit Februar 2020 arbeitet sie bei ÖZIV-Support. Danach gefragt, ob der Wechsel von der Erwachsenenbildung ins Coaching und in die Beratung von Menschen mit Behinderungen eine große Umstellung war meint Sitzenstäter: NEIN: Weil immer der Mensch im Fokus stehe. Geholfen hat ihr auch die Erfahrung aus der Filmbranche. 

Susanna Sitzenstäter: Was ich mir aus der Filmbranche ganz sicher mitnehmen konnte oder was für mich diesen Einstieg in meine Tätigkeit beim ÖZIV unendlich klar gemacht hat, war, dass es eine unendliche Vielzahl an unterschiedlichen Menschen gibt. Auch in der Filmbranche hast du es mit den unterschiedlichsten Charakteren und Menschen zu tun und es geht um ein Zusammen. 

Moderation: Als Coach und zuvor merkte sie, dass Menschen unterschiedlichen Bedarf haben, die Bedürfnisse bleiben gleich. Auch diese Begriffspaare werden oft gleichgesetzt, sollten aber einzeln betrachtet werden. 

Susanna Sitzenstäter: Es gibt Grundbedürfnisse, wie das des Essens. Das haben wir alle. Bedarf haben wir unterschiedlichen. Ein Mensch im Rollstuhl hat einen anderen Bedarf seinen Arbeitsplatz zu erreichen als ein Mensch, der zum Arbeitsplatz geht. Ein Mensch, der eine Sehbehinderung hat, hat am Arbeitsplatz oder von A nach B einen anderen Bedarf als ein Mensch, der keine Seheinschränkung hat. 

Moderation: Was sagt Susanna Sitzenstäter zum Begriff „Menschen mit besonderen Bedürfnissen? 

Susanna Sitzenstäter: Schrecklich! Ganz schrecklich, geht gar nicht! Es sind keine besonderen Bedürfnisse. Alle Menschen haben Bedürfnisse! 

Moderation: Die ÖZIV-Support Beratung gibt es nun also in allen Bundesländern. Die Nachfrage ist sehr hoch, sagt ÖZIV-Geschäftsführer Gernot Reinthaler. Das Angebot treffe einen Nerv und bräuchte einen weiteren Ausbau, um mehr bewirken zu können.

Gernot Reinthaler:  Wir sind sehr, sehr dankbar, dass das Sozialministeriumsservice dieses Angebot seit über 20 Jahren finanziert! Das ist viel Geld, das hier in die Hand genommen wird. Wir sind auch sehr dankbar, dass wir gemeinsam mit unserem Fördergeber das zusätzliche Beratungsangebot auf Schiene gebracht haben. Und wir hoffen sehr, dass die öffentliche Hand hier auch künftig das entsprechende Geld in die Hand nimmt, um das zu ermöglichen. Diese Angebote sind für Menschen mit Behinderung nur möglich, wenn sie kostenlos zur Verfügung stehen können. Kostenlos geht es nur, wenn eine entsprechende Finanzierung seitens der öffentlichen Hand vorhanden ist. Und die Erfolge zeigen aber auf der anderen Seite auch, dass es sich rechnet.

Moderation: Alleine im Coaching hat ÖZIV-Support in den letzten 21 Jahren über 7000 Menschen österreichweit betreut. Über 50 Prozent der Betreuungen haben einen arbeitsmarktpolitischen Effekt: Dazu gehören direkte Arbeitsplatzerlangungen, aber auch die Sicherung von Arbeitsverhältnissen oder die Vernetzung mit anderen arbeitsmarktpolitischen Angeboten, wie Arbeitsassistenz.

Gernot Reinthaler: Die arbeitsmarktpolitischen Erfolge, die hier erzielt werden, bedeuten auf der anderen Seite, dass man auch das gesamte System entlastet. Weil hier Menschen aus Leistungsbezug herauskommen und umgekehrt, dann über Steuerleistungen, wenn sie einen neuen Arbeitsplatz haben oder auf ein  em bestehenden Arbeitsplatz bleiben können, der Staat über Steuereinnahmen einen Rückkehreffekt hat. Das kann man glaube ich nicht oft genug wiederholen. Also Investition in soziale Leistungen, die an der Schwelle zum Arbeitsmarkt erfolgreich agieren, rechnen sich auch!

Moderation: Über die Jahre wurde beim Coaching eine Besonderheit festgestellt. 

Gernot Reinthaler:  Das was ich sehr, sehr spannend finde ist, dass das Coaching-Angebot deutlich von mehr Frauen in Anspruch genommen wird als von Männern. Wir haben es jetzt nicht direkt so ausgelegt, aber ich glaube, dass die Rahmenbedingungen, die wir hier anbieten Frauen stärker ansprechen und die Methode selbst mit der wir arbeiten Frauen auch sehr stark entgegenkommt. Wir sehen hier auch durchaus gute Erfolge, die wir in dem Bereich schaffen und sind recht stolz darauf, dass wir eine recht hohe Frauenquote in dem Bereich erreichen können.

Moderation: Menschen mit Behinderung den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen – dazu hat sich Österreich schon 2008 mit der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung verpflichtet. Eine Verpflichtung, die vielerorts zu wenig beachtet wird. Angebote, wie NEBA unterstützen Menschen mit Behinderung und Unternehmen, die sie beschäftigen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels wäre es wünschenswert darin noch mehr zu investieren, wünscht sich ÖZIV-Geschäftsführer Gernot Reinthaler. 

Gernot Reinthaler:  Weil das Arbeitskräftepotenzial, dass bei Menschen mit Behinderung vorhanden ist, bei weitem nicht gehoben wird derzeit. Da wäre noch viel mehr an Potenzial drinnen und wir könnten so einen ganz wichtigen Schritt tun, um den Anforderungen der Konvention zu entsprechen um einen ganz wichtigen Beitrag zur gesellschaftlichen Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen zu leisten. 

Moderation: Beim ÖZIV-Support arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung in inklusiven Teams zusammen. Dieses Miteinander ist für Gernot Reinthaler und Susanna Sitzenstäter ein großer Vorteil. 

Susanna Sitzenstäter:  Es sind sicher auch andere Erfahrungswerte. Ich denke schon, dass Kollegen und Kollegen mit und ohne Behinderung unterschiedliche Erfahrungswerte haben. Das bereichert nicht nur uns im Team, sondern, ist auch für Klienten und Klientinnen etwas, was teilweise sogar neu ist zu sehen: Da gibt es jemanden, der sieht nichts und trotzdem hat diese Person wahnsinnig viel Fachwissen und kann mir helfen. Und diesen sicheren Rahmen herzustellen, fördert auch das Vertrauensverhältnis. Und nur über ein Arbeitsvertrauensverhältnis können im Coaching neue Möglichkeiten gefunden werden. 

Moderation: Schlussendlich geht es darum dem Klienten oder die Klientinnen zu mehr Stabilität zu verhelfen. 

Susanna Sitzenstäter:  Manchmal hilft es einfach hier zu sein und dem Gegenüber das Gefühl zu geben. Ich bin hier, ich höre zu dein Anliegen interessiert mich. Was kann noch Stabilität geben? Regelmäßigkeit, alleine die Möglichkeit regelmäßig zu einer Coaching Stunde zu kommen oder sich regelmäßig zu seinem Lösungssatz auszutauschen, diese Struktur kann stabilisierend sein. Es gibt Menschen, die so im Stress sind, dass sie sich überhaupt nicht mehr spüren. Dann können kleine Achtsamkeitsübungen, die wir gemeinsam machen oder, die der Coach anleitet stabilisierend wirken. Wieder gewonnenen Sicherheit im Umgang mit den unterschiedlichsten Situationen kann stabilisierend wirken. 

Moderation: Wenn Susanna Sitzenstäter wieder zur Kamera greifen würde. Wo könnte ein Film zum Thema Inklusion spielen? Welches Bild hat sie im Kopf? 

Susanna Sitzenstäter:  Interessanterweise habe ich jetzt ein Bild einer Einkaufsstraße vor mir - in der Menschen flanieren, einkaufen gehen und einfach da sind. es gibt Menschen, die gehen, andere die im Rollstuhl fahren, es gibt Menschen, die zu zweit unterwegs sind, es ist ein sehr buntes Bild. es hat etwas von Frühling und Blühen und wiedergewonnene Lebenslust. Sandra: Der Protagonist oder die Protagonistin mit Behinderung erlebt also Abenteuer in einem sehr bunten Setting? Susanna: Das wäre sehr schön oder! 

Moderation: Das ist doch eine schöne Vorstellung! Nähere Informationen zu ÖZIV-Beratung und Coaching und zu Dachverband „dabei-austria“ habe ich Ihnen in die Shownotes gepackt. ÖZIV-Support Coaching und Beratung werden vom Sozialministerium und dem Sozialministeriumsservice unterstützt. Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, empfehlen Sie uns doch bitte weiter. Wir freuen uns auch über eine gute Bewertung auf der Podcastplattform Ihrer Wahl. Auf ein baldiges Wiederhören freut sich Sandra Knopp.